Gottes Neue Offenbarungen

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre

- Kapitel 68 -

Nikodemus und die Obersten beim Herrn

Wir gelangten denn auch in nicht zu langer Zeit dorthin. Ein jeder hatte den Weg stillschweigend zurückgelegt, und besorgte Blicke der Meinen trafen Mich oftmals, da es ihnen allen klar erschien, daß Ich heute einen Hauptschlag zu führen versucht hätte, der aber, ihnen allen unbegreiflich, fehlgeschlagen war. Wo war Meine Wunderkraft geblieben, die doch so leicht durch ein starkes äußeres Zeichen Meine Sendung hätte bekräftigen können? Denn das Gesundmachen der Kranken galt ihnen schon als etwas Alltägliches, das auch Meinen Jüngern gelang, und daher für etwas vor dem Volke nichts Außergewöhnliches. Auch die Stimme vom Himmel war ihnen zweifelhaft, da diese nicht mächtig genug geschallt habe, um alle Zweifel niederzuwerfen.
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Alle diese Fragen erörterten die Meinen sehr ausführlich, als wir in Bethanien angelangt waren und Ich Mich in ein einsames Gemach zurückgezogen hatte, um Mich, das heißt Meine Seele, zu sammeln und zu stärken. Vornehmlich war es im Kreise Meiner nächsten Jünger Judas, welcher am meisten erregt war über den anscheinenden Mißerfolg, und er sprach sich auch ganz unverhohlen darüber aus, daß Meine allzu große Sanftmut und Güte Mich daran hindere, dem Volke machtvoll entgegenzutreten.
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Er (Judas) sagte: ,,Der Herr ist ganz gewißlich ein Mensch von ganz außergewöhnlicher Kraft und Weisheit, und ich zweifle auch durchaus nicht daran, daß Er und kein anderer der erwartete Messias ist; aber dieser starke Geist, der oft blitzartig in seiner außerordentlichen Kraft in Ihm wohnt, wird umschlossen von einer zu schwachen Hülle, die für die Menschen noch zu viele Schwächen zeigt. Nicht Sanftmut und Güte allein ist es, die die Welt regieren, sondern auch die Faust, welche das Schwert zu führen weiß und, wenn es sein muß, mit blutiger Strenge dareinfährt, sichert den Erfolg! Wenn der Herr gezwungen wäre, Sich und die Seinen zu schützen vor den Händen gieriger Henkersknechte, so würde die in Ihm wohnende Gotteskraft ganz anders auftreten müssen, damit Er mit den Seinen nicht untergeht, sondern Sein Werk gedeiht. So aber ist es Ihm noch immer mißlungen."
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Sagte ihm Petrus: ,,Judas, hast du denn noch nicht gesehen, wie oft sowohl der Herr als auch wir bedrängt wurden, und daß wir ohne diese in Ihm wohnende Kraft schon längst untergegangen wären?! Entsinne dich, wie Er dem Sturm gebot, und wie oft die Anschläge des Tempels, der die Schergen gegen uns sandte, vernichtet wurden!"
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Antwortete Judas: ,,Und doch ist das kein Beweis; denn allezeit traten so günstige Umstände dabei ein, daß wir vielleicht auch ohnedies, durch eigene Kraft, uns noch hätten aus all den Gefährnissen herausziehen können! Nein, ich meine, wenn ganz plötzlich eine leibliche Gefahr an Ihn herantreten würde, so daß diese ein jeder sehen und fürchten müßte, - würde da der Herr nicht viel kraftvoller handeln müssen?! Würde Ihm das Volk dann nicht ganz anders anhangen und nicht durch ein albernes, prunkhaftes Tempelspiel wieder abwendig gemacht werden können?!"
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Meinte Petrus und die anderen kopfschüttelnd: ,,Wie sollte so etwas eintreten können, und wer will das entscheiden? Der Herr wird wohl Selbst am besten wissen, was Er vorhat, und wie Er handelt."
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Judas schwieg nun nachdenklich und blieb des Tages über finster und verschlossen. -
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Im Hause des Lazarus war es ruhig, und niemand störte Mich, der Ich in Meinem Kämmerlein allein verblieb und Zwiesprache hielt mit Meinem Vater in Mir. Es wird aber kein Mensch so recht begreifen, wieso letzteres möglich war. Darum sei hier gesagt, daß Meine Seele recht wohl sah, wie es möglich sei, allen Leiden zu entgehen, und daß diese zagte, da auch sie an die Erde gekettet war wie die Seele eines jeden andern Menschen, der irgendeine Aufgabe zu erfüllen hat. Nur der Geist in Mir, von dem jedermann weiß, wer Dieser war, schrieb Mir den Weg vor und legte der Seele vor, ob sie aus Liebe zu Ihm und den Menschen die gewiesenen Wege gehen wolle oder nicht. So trat denn auch jetzt in letzter Stunde die Entscheidung wiederum näher, und der Menschensohn entschied sich abermals für die Wege des Vaters.
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Als es nun Abend zu werden anfing, begab Ich Mich wieder heiteren Gemütes zu den Meinen und beauftragte Lazarus, für unser leibliches Wohl zu sorgen. Es wurde dieses auch hinreichend getan, und in der Gemeinschaft der Zwölf, des Lazarus und seiner Schwestern, sowie der Maria von Magdalon, welche seit Meiner früheren Anwesenheit des Lazarus Haus nicht wieder verlassen hatte, nahmen wir ein nächtliches Mahl zu uns.
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Als wir dasselbe eingenommen hatten, trat ein Diener des Lazarus zu uns mit der Nachricht, daß mehrere Männer draußen ständen, die Mich und Lazarus zu sprechen wünschten, jedoch unerkannt bleiben wollten. Lazarus fragte Mich, wer denn diese seien.
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Ich antwortete ihm: ,,Es sind mehrere Obersten des Volkes, unter ihnen auch Nikodemus, die, durch die heutigen Ereignisse getrieben, zu uns kommen, jedoch die Welt mehr fürchten als Gott, weshalb sie auch in Verkleidung und in der Nacht zu uns kommen, - zwar in wohlmeinendster Absicht, jedoch so heimlich als möglich." (Joh.12,42.43)
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Darauf wandte Ich Mich zum Diener und sagte ihm, er solle die Fremden auffordern, zu uns zu kommen, und ihnen sagen, sie könnten offenkundig zu uns eintreten, da niemand unter uns sei, der sie verraten würde.
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Nach kurzer Frist traten denn auch die Fremden ein. Es waren Nikodemus und drei höhere jüdische Beamte seiner Familie, die bedeutende Stellungen in Jerusalem einnahmen, alle jedoch mehr oder weniger vom Tempel abhängig waren.
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Nikodemus eilte nun sogleich auf Mich zu und ergriff voller Gefühl Meine Hand, Mich dabei bittend, Mich jedenfalls nicht in nächster Zeit hier blicken zu lassen, da der Tempel auf das höchste über Mein heutiges Auftreten aufgebracht sei und Kaiphas, sowie auch der Hohe Rat, geschworen habe, Mich um jeden Preis unschädlich zu machen.
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Dieses Mal, meinten Meine Gegner, sei es durch Mein unkluges Handeln noch gelungen, die Gefahr abzuwenden. Wer aber könne wissen, ob das bei nächster Gelegenheit noch möglich sei?! Es müsse daher schnell gehandelt werden, ehe es Mir gelänge, das Volk wieder für Mich einzunehmen, das jetzt durch Mein Zaudern entmutigt sei, aber ebenso schnell durch eine rasche Tat Meinerseits wieder entflammt werden könne.
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Auch wüßten sie wohl, daß Herodes, der schlaue Fuchs, der stets den Tempel nur für seine Zwecke ausgebeutet habe und in seiner Geldgier sich herzlich freue über die arge Klemme, in die die Priesterschaft dem Volke gegenüber geraten sei, Mir ebenso wie seinerzeit dem Johannes wohlgesinnt sei. Es müsse daher um so schneller gehandelt werden, damit Ich Mich nicht etwa mit diesem in Verbindung setze und dadurch sicherer geschützt werde; denn würde der Tempel des Herodes Schutz gegen das Volk vonnöten haben, so würde dieser Schutz enormes Geld kosten, da er nichts der Liebe wegen tue und mindestens versuchen werde, Jesus als Trumpf gegen den Tempel auszuspielen.
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Nikodemus sowie auch die mit ihm Gekommenen waren daher sehr ängstlich um Mich besorgt und baten Mich dringend, weder dem Herodes zu trauen, noch Mich der dringenden Gefahr, die jetzt vom Tempel drohe, auszusetzen. Sie allein hätten gewagt, Mir diese Nachrichten zu überbringen. Es wären auch noch viele andere aus ihren Kreisen Mir freundlich gesinnt, doch wagten diese um der Pharisäer willen nicht, selbst zu Mir zu kommen.
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Ich sagte nun dem Nikodemus und seinen Freunden: ,,Meine Lieben, was ihr Mir da mitteilet, ist Mir schon längst bekannt und wohl von Mir erwogen worden; denn so der Vater nicht wollte, daß alles so geschähe, wie es geschehen ist, - wäre es dann so? Und wäre nicht der Vater mit Mir, würde Ich dann wissen, was die nächste Zeit Mir bringen muß?
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Darum glaubet nur, daß alles gerade so recht ist, wie es geschehen ist, und wie es der Vater auch also will; denn wer an Mich glaubt, der glaubt nicht an Mich, sondern an Den, der Mich gesandt hat! Und wer Mich sieht, der sieht Den, der Mich gesandt hat. (Joh.12,44.45)
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Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit jeder, der an Mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe, sondern in Tageshelle wandle. Darum aber habe Ich auch vor dem Volke also gesprochen, wie es allezeit geschehen ist, und habe ihnen auch gesagt, daß Mein Reich nicht von dieser Welt sei, und habe ihnen auch allezeit die Wege gewiesen, die sie zu wandeln haben, um dieses Mein Reich zu erringen. (Joh.12,46)
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Wer also Meine Worte hört und glaubt nicht, den werde Ich darum nicht richten; denn Ich bin nicht gekommen, daß Ich die Welt richte und ihr gebiete als ein tyrannischer König, sondern daß Ich die Welt selig mache durch das Wort und ihr den Frieden bringe. Wer Mich verachtet und nimmt Meine Worte nicht auf, der hat schon dessen genug, was ihn richtet; denn das Wort, welches Ich geredet habe, und welches ewiglich bleiben wird, das wird ihn richten an seinem jüngsten Tage, an welchem er abscheiden wird von dieser irdischen Welt, um einzugehen in das ewige Reich, wo Ich wahrhafter König sein und ewig bleiben werde. (Joh.12,47.48)
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Ich habe nicht aus Mir Selber geredet, sondern der Vater, der Mich gesandt hat, der hat Mir ein Gebot gegeben, was Ich tun und reden soll. Und Ich weiß, daß Sein Gebot das ewige Leben ist. Darum auch rede Ich also, wie Mir der Vater gesagt hat. Seid also unbesorgt um das, was geschehen ist und noch geschehen wird; der Vater will es so!" (Joh.12,49.50)
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Sagte Judas darauf ganz erregt: ,,Herr, der Vater ist doch mit Dir in Seiner ganzen Kraft! Kann da diese Kraft von Dir weichen, da beide doch eins sind?"
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Sagte Ich: ,,Der Vater, der Sohn und die Kraft sind eins und werden es bleiben und können auch nie getrennt werden, wie du wohl weißt; und es ist der Vater im Sohn und der Sohn auch bald im Vater, geeint durch die Kraft. Aber der Sohn hat dem Vater zu gehorchen, und so Er dieses tut, wird der Vater Ihm auch alles zu eigen geben; und das weiß der Sohn, weil es Ihm der Vater gesagt hat. Und nur eine kleine Weile noch wird es dauern, so ist der Sohn ewiglich im Vater. Wie aber dieses zu erreichen ist, das geht euch jetzt noch nichts an; doch wird es euch und der ganzen Menschheit zugute kommen."
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Sagte Nikodemus: ,,Herr, wir verstehen diese Deine Worte nicht ganz; auch scheint es uns vor allen Dingen notwendig, daß Du an Deine eigene persönliche Sicherheit denkst, weswegen wir hierhergekommen sind, Dir diese nach unseren Kräften zu verschaffen. Wäre es daher nicht am besten, Du verließest diesen Ort, um Dich zu verbergen? Hier, meines Bruders Sohn, würde Dich sicher geleiten, da er viele Verbindungen außer Landes hat, wo Du völlig gesichert eine Zeitlang leben könntest."
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Sagte Ich: ,,Seid nicht so töricht; Ich bedarf der Hilfe der Menschen nicht. Wollte Ich Meine Feinde vernichten, so wäre Mir das ein kleines. So aber will Ich das nicht; denn auch sie sollen noch des Heiles teilhaftig werden und mit ihnen das gesamte Volk. Ich bleibe hier, - und seid gewiß, niemand wird Mich eher ergreifen, als bis Ich Selbst dieses werde wollen!"
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Nikodemus wollte sich nun zwar nicht gleich beruhigen, da ihm die Furcht vor dem Tempel stets im Nacken saß. Schließlich gab er sich jedoch zufrieden und meinte, er habe seine Schuldigkeit getan. Ich erkannte seinen guten Willen denn auch an, und er begab sich alsbald mit seinen Begleitern unter dem Schutze der Dunkelheit wieder nach Jerusalem zurück, wo er ungehindert und unerkannt ankam.
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Wir selbst begaben uns sehr bald zur Ruhe, da dieser Tag auch den Körpern große Anstrengung gebracht hatte. Wir verbrachten die Nacht in größter Ruhe; nur des Judas Seele konnte diese nicht finden. Viele Gedanken und manche Einflüsterungen zogen durch seine Seele, so daß er schlaflos die Nacht verbrachte.

Fußnoten