Gottes Neue Offenbarungen

Die Geistige Sonne
Band 2

Mitteilungen über die geistigen Lebensverhältnisse des Jenseits

- Kapitel 53 -

XI. Galerie. Liebe zum Herrn und daraus zum Nächsten führt zur Vollkommenheit des Lebens

Da ihr euch nun so ziemlich umgesehen, so könnet ihr auch schon anzugeben anfangen, was alles ihr gesehen habt. - Ihr saget: Lieber Freund und Bruder! Wir haben der wunderbarsten Dinge hier eine Menge gesehen; aber wer mag sie mit unserem beschränkten Begriffs- und Wortreichtume so vollkommen schildern, daß jemand daraus klug werden könnte und aus der Schilderung klärlich entnehmen, was das für Dinge sind?! Daher meinen wir, hier wäre es wohl recht gut, so du gewissermaßen den Dolmetscher machen möchtest.
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Ja, meine lieben Freunde und Brüder, eure bedenkliche Aussage von Beschränktheit eures Begriffs- und Wortreichtums ist allerdings wahr, aber dessen ungeachtet sollet ihr von all dem Geschauten dennoch so viel aussagen, als wieviel ihr davon mit euren Begriffen und Worten zu bezeichnen vermöget; denn ihr müsset das hier immer vor Augen haben, daß ihr euch hier so ganz eigentlich auf eurem eigenen Grund und Boden befindet, soll euch meine Erörterung darüber geistlich zunutze kommen. Sage ich es euch ohne irgend eure Vorkundgabe dessen, was ihr geschaut habt, so mache ich euch dadurch eures Grundes ledig, und es besteht dann sogleich und sofort kein Anknüpfungspunkt mehr zwischen meiner an euch gerichteten Erörterung und eurer inneren Aufnahmsfähigkeit.
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Die Sache verhält sich beinahe also, als so sich zwei Freunde durch die Handreichung begrüßen möchten, von denen der eine in seinem Hause den andern empfängt. In der Regel der Freundschaft muß doch der Hausherr dem ihn besuchenden Freunde zuerst die Hand reichen, sodann erst kommt die Reihe an den Besucher.
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Ihr möchtet hier freilich denken und sagen: Mit dergleichen Regeln nehmen wir es aber nie so genau; daher können sie für uns nicht als ein völlig normaler Beweis angesehen werden, aus dem wir folglichermaßen zuerst eine Vorangabe des hier Geschauten kundtun sollen.
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Ich aber sage euch, meine lieben Freunde und Brüder, wenn euch dieses freundliche Haus-Beispiel zu wenig triftig zu sein scheint, so kann ich euch schon mit einem überzeugenderen aufwarten.
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Sehet an das Verhältnis eurer Erde zur Sonne; die Erde ist bei sich selbst doch sicher zu Hause, und die Sonne ist ihr gegenüber nur als ein sie stets besuchender Gastfreund anzusehen. Was muß aber die Erde zuerst tun, wenn sie von der Sonne Strahlen erleuchtet werden will?
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Ihr saget: Die Erde muß da eine Fläche um die andere zuerst der Sonne zuwenden, sodann fallen sobald die Strahlen der Sonne auf den zugewandten Teil.
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Gut, meine lieben Freunde und Brüder; sehet die Erde zur Nachtzeit an, ist sie da nicht eben so voll von den mannigfaltigsten Dingen wie am Tage? Aber ihr könnet nur das wenigste davon so recht ausnehmen, was und wie es ist; daß aber etwas da ist, solches ist bestimmt, sicher und wahr. Wenn aber die Erde stehen bliebe und möchte warten, bis die Sonne über ihren unerleuchteten Teil sich erheben wird, fürwahr, da wird sie fürs erste ganz entsetzlich lange zu warten haben und ihre Dinge werden nie in ihrer Vollzahl und in ihrer formellen Beschaffenheit ersichtlich werden. So aber die Erde fortwährend sich dreht und eine Fläche um die andere unter die Sonne hinschiebt, so werden die Dinge auf derselben sobald in ihrer Vollkommenheit ersichtlich werden, die man zur Nachtzeit nur mit genauer Not wahrgenommen hat.
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Sehet, so müsset auch ihr als Hauseigentümer von euch selbst euch zuerst zu mir herüberwenden, der ich nun völlig im Namen des Herrn bei euch bin; und der Teil, den ihr mir zuwenden werdet, wird dann ebenfalls sogleich beleuchtet werden, daß ihr ihn klarer zu erkennen und richtiger zu bezeichnen vermöget.
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Und so denn fanget nur an, wenigstens das euch möglicherweise Bekanntere kundzugeben. Zählet einmal die Säulen eines Säulenrondells; wie viele findet ihr deren hier im zehnten Stockwerke?
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Ihr saget: Lieber Freund und Bruder! So wir uns nicht irren bei dem Rundherumzählen, so sind ihrer hier nun zwei weniger denn in der vorigen Galerie, also nur zehn. Dafür aber bemerken wir hier in der Mitte des Säulenrondells statt irgendeiner anderen Verzierung zwei gar mächtig starke, fest aneinandergestellte Säulen, welche gleich den anderen zehn den Plafond des Säulenrondells wie auch den der ganzen Galerie tragen helfen und eine höher leitende Treppe geht hier nicht mehr innerhalb der Runde der zehn Säulen, sondern in der Mitte auf diesen zwei Säulen aufwärts. Übrigens erscheint hier alles vollkommen glatt und wir mögen schauen, wie wir wollen, so ist aber nirgends etwas von einer Verzierung zu entdecken; auch ist, soviel wir ausnehmen können, der Plafond dieser elften Galerie nicht mehr wie gewölbt, sondern ganz flach hinlaufend. Alles ist von gleicher überschneeweißer Farbe und durchsichtig; nur die innere kontinuierliche Wand scheint etwas ins Rötlichbläuliche überzugehen, und die Tore sind, als wären sie von durchsichtigem Silber.
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Jetzt, lieber Freund und Bruder, sind wir aber auch schon fertig, insoweit die Dinge hier für uns möglichermaßen zu bezeichnen sind. Die flüchtigen Formen aber, welche sich sowohl in der festen Masse der Säulen wie der anderen Teile dieser Galerie fortwährend abwechselnd darstellen, können wir unmöglich bezeichnen. Fürs erste sind sie zu flüchtig und zu schnell wechselnd, und fürs zweite sind ihre Formen zu wenig intensiv, und unser Auge vermag da nicht viel mehr als nur wie ein sich stets durcheinandermengendes Chaos zu entdecken, und somit wären wir so ganz und gar zu Ende mit all dem hier Geschauten. Was es aber bedeutet, das lassen wir, lieber Freund, dir über.
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Nun gut, meine lieben Freunde und Brüder. Ich bin mit eurer Kundgabe ja vollkommen zufrieden, und es wäre auch gar überaus töricht von mir, von euch mehr zu verlangen, als ihr zu geben imstande seid. Habt aber nun acht, wir wollen sogleich das von euch Geschaute ein wenig näher beleuchten.
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Die zehn Säulen dieses Rondells sind in ihrer Bedeutung mit den Händen zu greifen; denn sie bezeichnen ja augenscheinlichst das Zehngesetzliche, welches eigentlich aus der göttlichen Weisheit hervorgeht. Denn die Liebe gibt keine Gesetze, sondern nur die göttliche Weisheit, welche da ist der Grund der göttlichen Ordnung; denn die Gesetze sind ein vorgezeichneter Weg, den man wandeln soll, um ans Ziel des Lebens zu gelangen, und sie sind auch zugleich die Grundfesten, auf denen das Leben zufolge der göttlichen Ordnung ruht.
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Was aber würde wohl jemandem der Weg in der stockfinstersten Nacht dienen, so er auch noch so gerne auf demselben wandeln möchte? Ebensowenig würde jemandem ein irgend gestellter Stützpunkt nützen, wenn er ihn erst in der stockfinstersten Nacht suchen sollte.
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Daher müssen die Gesetze, die der sonstigen Nacht der Liebe gegeben sind, als Weg und als Stützpunkt leuchtend sein, damit der Wanderer sich auf dem Wege nicht verirren mag und den ordnungsmäßigen Stützpunkt des Lebens allezeit finden kann.
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Also ist es hier ja leicht ersichtlich, wie diese zehn weiß strahlenden Säulen handgreiflich das Zehngesetzliche der Lebensordnung aus Gott bezeichnen. In der unteren Galerie haben wir die zwei Säulen der Liebe noch in der äußeren Reihe eingeteilt gesehen. Aber dafür war in der Mitte das merkwürdige Kreuz, welches ebenfalls die leidende Liebe darstellt.
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Hier aber erblicken wir die zwei Säulen der Liebe an der Stelle des Kreuzes in der Mitte unseres Säulenrondells. Sie sind fest aneinandergereiht und die Treppe, die nach oben führt, ist von den äußeren zehn Säulen weggenommen und allein um die zwei mittleren Säulen gewunden.
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Ich meine, die Bedeutung solcher Stellung wird ebenfalls nicht schwer zu erraten sein. Ihr dürfet nur das Evangelium des Herrn zur Hand nehmen, und ihr werdet da finden, daß Er das ganze Mosaische Gesetz wie auch alle Propheten in das alleinige Zweigesetz der Liebe übertrug, nämlich: ,,Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst!" - Diese beiden Gesetze hat der Herr Selbst als gleichlautend bezeichnet, aus dem Grunde sind die zwei Säulen in dieser Mitte sich fürs erste ganz gleich, und fürs zweite noch dazu fest aneinandergereiht und sind die alleinigen Träger des Weges nach oben. - Ich meine, solches verstehet ihr.
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Was aber den euch so wunderbar vorkommenden chaotischen Formenwechsel in den Säulen betrifft, so bezeichnet dieser das Wandelbare des menschlichen Gemütes, welches sich innerhalb der Gesetze befindet. Woher aber rührt in diesen Säulen solch beständiges wallendes chaotisches Formenwechseln? Was ist wohl der Grund solcher Erscheinung?
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Der Grund davon liegt in dem von außen einwirkenden heftigen Lichte, durch welches diese Luft in ein fortwährendes Schwingen versetzt wird. Da aber das Material dieser Säulen überaus spiegelblank poliert und dazu noch überaus durchsichtig und strahlenbrechungsfähig ist, so spiegeln sich diese Luftwellchen oder Luftschwingungen darin ziemlich lebhaft ab, und wir vermeinen dadurch gewisse Formen in den Säulen hin und her und auf und ab wallend zu erblicken. Nun stellen wir einen Menschen hierher, der sich unter Gesetzen befindet. Er befindet sich dadurch im hellen Lichte des Gesetzes, welches von innen stets lebendig in ihn einwirkt, und dann befindet sich dieser Mensch seinem Äußeren nach im Lichte der Welt, welches aber von außen her ebenfalls stets wie wogend einwirkt.
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Was entsteht aber dadurch im Menschen? Ein fortwährender Ideenwechsel; bald beschleichen ihn die Formen der Welt, bald wieder die Formen seines inneren Lichtes. Wirkt das äußere Licht stark auf den Menschen ein, so werden die Formen des inneren Lichtes verdunkelt und haben keine Klarheit mehr; im Gegenteil aber werden die Formen des äußeren Lichtes stets nichtiger und schwächer ausnehmbar, je mehr das innere Licht zu reagieren anfängt.
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Wenn dann jemand die Formen des inneren Lichtes ergreift und sie mit seinem Geiste stets mehr und mehr fixiert, so wird aus der ehemaligen stets wechselnden Flexibilität der Lichtformen eine konstante Form, welche fortwährend dem von außen einwirkenden Lichte einen dieses Licht demütigenden Widerstand leistet; und der Mensch ist dadurch zur erschaulich bestimmten Idee des inneren ewigen Lebens des Geistes gelangt.
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Das entsprechende Bild zeigen euch die zwei mittleren Säulen, in und an denen ihr keinen solchen Formentanz mehr entdecket. Wenn ihr aber genauer nach denselben blicket, so werdet ihr in einer jeden eine ganz gleiche vollkommene, alleredelst ausgebildete Menschengestalt erschauen, welche in all ihren Teilen klar und gleich durchleuchtet ist.
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Sehet, solches zeigt, daß der Mensch einzig und allein nur durch die Liebe zum Herrn und aus dieser heraus zum Nächsten zu der Vollkommenheit des Lebens in seinem Urfundamente gelangen kann. Ich meine, ihr werdet nun so ziemlich im reinen sein. Was die übrigen Teile der Galerie betrifft, so besagen sie nichts anderes als das vollkommen Ordnungsmäßige der wahren Weisheit, welche da ist die Grundwahrheit im Geiste und ein Licht ohne andere Verzierung und Ausschmückung und ist das, was ihr die nackte Wahrheit nennet. Da wir aber solches wissen, so wollen wir uns auch sogleich wieder über die Treppe um die zwei Säulen höher hinauf auf den großen freien Platz begeben.

Fußnoten