Die Haushaltung Gottes
Band 1
Die Urgeschichte der Menschheit
- Kapitel 50 -
Henochs Morgenbetrachtung
9. Januar 1841
Und als nun der Henoch solches Morgengebet laut vollendet hatte, siehe, da erhob sich Adam gar fröhlich und lobte und pries Meinen Namen und dankte Mir inbrünstig für die Gabe des Gehörs, das da tauglich ist, zu vernehmen solche Herrlichkeit, und für das Licht der Augen, die da wohl tauglich sind, zu erschauen die großen Wunderwerke Meiner Erbarmung, und für die Stimme, die da vermag, wohlverständige Worte des Lobes und aller noch so über alles unbegreiflichen und unendlichen Erhabenheit des großen, heiligen Gottes dem kleinen menschlichen Herzen soviel als möglich begreiflich näherzuführen. Und so dankte er Mir für alle übrigen Sinne; denn er sah gar wohl ein, daß deren Gabe und beständige Erhaltung eine gar große Wohltat aus der freigebigen Hand Meiner Liebe sind.
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Und als er nun solche nochmaligen Lob-, Preis- und Dankbetrachtungen, wie auch sonst täglich, vollendet hatte, da wandte er sich abermals zum Henoch, der dabei auch dasselbe still in seinem Herzen getan hatte, und sagte:
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,,Henoch, du auserwählte Zunge der ewigen Liebe Gottes, siehe, ich nannte dich ,Ahbel`; allein ich habe dir Unrecht getan und war undankbar gegen Gott! Denn siehe, Ahbel war zwar mein erster gesegneter Sohn, den mir Gott gegeben hat, und war daher ein Liebling meines Herzens und ein getreues Werkzeug in der Hand Gottes, gegeben mir zur Rettung; dich aber hat der Herr nun in meiner späten Zeit zu mir gesandt gleich einer stärkenden Salbe, damit die Wunde, die mir Cahin geschlagen, möge in meiner letzten Zeit in meinem Herzen geheilt werden. Denn wärest du nur Ahbels Seele und Geist in der Hülle Henochs, da wärest du, was der Ahbel war, und wärest gleich meinem lieben Seth, den mir der Herr an die Stelle Ahbels gesetzt hat; dich aber hat der Herr erweckt aus Seiner Liebe und hat diese Liebe in Jareds Samen gelegt, auf daß du eine reine Frucht der Liebe würdest, um dann allen deinen Vätern und Brüdern zu zeigen den sanften Weg der Liebe und auch zu zeigen, daß die Liebe mehr ist als alle unsere Weisheit, die fallen kann, während die Liebe aus dem Schlamme des Meeres Berge und Felsen schafft.
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O Henoch, du mein lieber Henoch, komme her an meine Vaterbrust, und lasse dich lieben und segnen im Überflusse, auf daß dein Segen reiche bis ans Ende aller Zeiten! Denn du hast nun ein Öl in mein schon sehr hart gewordenes Herz gegossen, daß es nun wieder weich zu werden anfängt, wie es damals war, als mir der Herr zum ersten Male meine liebe Gehilfin entgegenführte; und es entfaltet sich ein vielästiger Rosenstrauch in meinen großen Gedanken, und da sehe ich zuoberst eine Knospe - o Henoch, eine Knospe! -, und diese Knospe glänzt verschlossen stärker denn die Sonne am Mittage! - Doch nichts weiter davon; - siehe, das alles hast du nun bewirkt!
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Daher bist du weder Ahbel noch Seth, sondern bist ein reines Leben der Liebe aus Gott durch den Samen Jareds und hast ein eigenes Leben, das dem Tode nimmer unterliegen wird. Daher teile an alle von deinem Überflusse, auf daß sie auch erkennen möchten, daß nicht die Weisheit, sondern nur die Liebe das wahre ewige Leben aus Gott ist; denn jetzt erst sehe ich selbst, daß ich in der Liebe nur werde unzerstörbar sein ewig. Denn alle unsere Weisheit wird und muß zunichte werden vor Gott; aber die Liebe, die kleine Liebe, wird dereinst großgezogen werden von Gott, da Er Selbst lauter Liebe is t.
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O Henoch, wenn die Sonne aufgehen wird, so ermahne mich und rede, amen."
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Und als der Adam solches ausgeredet hatte, da drückte er den Henoch noch einmal an seine Vaterbrust, segnete ihn noch einmal und hieß ihn dann nachsehen, ob Seth noch schlafe und seine Kinder in ihren Hütten, und auch zu sehen, wie die Sterne stehen, und ob die Sonne sich schon ihrem Aufgange nähere, und wie es in den Tiefen aussehe, ob neblicht oder ob ohne Nebel, und welchen Zug die Winde haben, ob das Firmament ganz rein oder mit Wölkchen hie und da untermengt sei, und ob das Gras wohl betaut sei.
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Und so er das alles wohl betrachtet haben werde, so möge er dann wieder zurückkehren und ihm über alles getreue Nachricht gegen den gloriereichen Aufgang der Morgensonne geben.
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Und siehe, Henoch dankte dem Adam ehrfurchtsvoll und ging alsobald zu tun, was ihm Adam geboten hatte.
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Es war aber nach eurer Rechnung die vierte Stunde vorüber, als Henoch aus der geheiligten Hütte Adams trat. Und als er nun denn also ins Freie trat, siehe, da ermahnte er sich alsobald im Herzen und gedachte bei sich im stillen:
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,,O Du ewiger, großer, heiligster Vater, voll der unbegreiflichsten, allerreinsten, allerhöchsten Liebe! Wie klein doch ist diese geheiligte Hütte Adams, unseres Erdenvaters, gegen dieses Dein unermeßliches Gebäude! Wie klein und vereinzelt schimmern die sonst weltengroßen Feuersterne in Deinem großen Hause, und doch hat deren Zahl kein Ende, wie das Haus keine Wände, sondern sie alle schweben in Deiner Gnade und hängen fest an Deiner Liebe, und es vermag keine Kraft denn die Deinige sie zu führen durch der endlosen Kreise ferne Bahnen.
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O Du heiliger Vater, wie groß, stark und gut bist Du, und wie herrlich mußt Du sein in Deinem Lichte, da Deine Nacht schon so groß, schön und herrlich ist!
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O Du mein guter, heiliger Vater, erweitere meine zu enge Brust, auf daß ich Dich in den vollsten Zügen zu lieben vermöchte; denn zu schön und zu groß ist alles, was jetzt mein Auge schaut! Wie herrlich ragen die Wipfel der hohen Zedern in die freie, lichtdurchschimmerte, sanftbewegte Luft empor und bewegen ihre Äste und Zweige, als ob sie den Sternen liebewinkten! Dann aber kommt alsobald irgendein Hauch von Dir: sie empfinden Deine heilige Nähe und senken alsobald ihre hohen Häupter zur Erde. Jedoch bald erheben sie sich wieder von neuem, gezogen von der großen, überheiligen Macht Deiner Liebe, und frohlocken rauschend in freier Höhe Dir ein unerforschliches, tiefsinniges Lob entgegen. Oh, wie groß und erhaben muß das Lob sein, daß ich nicht einmal zu ahnen vermag, was für ein heiliges Opfer Dir, dem erhabenen Schöpfer, dargebracht wird von Deiner geschaffenen Natur! Unablässig lobt Dich die Erde, das Gras, die Pflanzen, die Sträucher, die Bäume und all die schönen Sterne; nur der Mensch kann schlafen in der Mitte so heiliger Opfer!
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O Du überguter, heiliger Vater, ich will nimmer aufhören, Dich zu loben; und es soll mich dazu ermuntern jedes bewegte Stäubchen, daß ich nicht nachlassen soll, je Dich mehr und mehr zu loben!
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Denn Du gabst mir ja ein Herz, angefüllt mit Liebe und aller Frömmigkeit, und so will ich denn allzeit fröhlich sein über Deine so unendlich große Güte und allzeit laut frohlocken in Dir, meinem Gott, daß Du so voll Liebe und Gnade bist gegen jedermann, der da Freude hat in Deinem heiligsten Namen.
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O Fröhlichkeit, Fröhlichkeit, du schönste Gefährtin der Liebe, wie süß schmeckst du dem Herzen, das da schlägt nach dem Willen des heiligen Vaters!
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Oh, es ist wohl gar gut und gar fröhlich zu sein, da der heiligste Vater ein großes Lob gnädigst annimmt von der Unendlichkeit wie von einem Tautropfen, den der leise Hauch der Morgensonne verweht!
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O Vater! Sieh gnädig auf mein schwaches Herz herab, und erkenne das nichtige Stäubchen meines Lobes, und überhöre nicht unter den stark schallenden Dankliedern Deiner Sonnen mein armseliges Gezwitscher, das da vielleicht noch schwächer ist denn das leise Gesumse einer von der Nacht betäubten unbedeutendsten Mücke!
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O Du mein großer, heiliger, liebevollster Vater, Herr und Gott, nimm gnädig auf dies mein verworrenes Stammeln, und lasse mich nun treu vollziehen den Willen des Erzvaters Adam! Amen."