Predigten des Herrn
- 10. Predigt -
Am Sonntage Septuagesimä. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberge
Dieses Gleichnis, sowie viele andere, hatte den Zweck, den damals lebenden Juden geistige Wahrheiten in der Form von Vergleichen und Schilderungen aus dem praktischen Leben leichter verständlich zu machen. Außerdem war damals - wie heute noch im Orient - die Bilder- und Gleichnissprache mehr gebräuchlich als in heutiger Zeit, wo man bei allen Mitteilungen die direkte Darstellung vorzieht.
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Es liegt in diesen Gleichnissen immer ein tieferer, geistiger Sinn, der sowohl damals paßte, wie auch für alle kommenden Zeiten stets den gleichen Wert haben wird.
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Diesen geistigen Sinn wollen wir nun etwas mehr beleuchten und seine Bedeutung hervorheben, weil er das Wesentliche, der Kern, - das Gleichnis nur seine Schale oder Umhüllung ist.
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Seht, in jenem Gleichnis sagte Ich: ,,Das Himmelreich gleicht einem Weinberge." Der geistige Sinn dieser Worte muß auf den eigentlichen Begriff, was denn ein Weinberg ist, zurückgeführt werden.
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Seht, ein Weinberg ist ein Stück Land, aus dessen Boden durch Anpflanzung von Reben das Ätherische der Erde in Geistiges, in der Traube zu Wein verwandelt wird. Durch Zersetzung der Elemente werden gröbere Stoffe in feinere, geistigere umgewandelt.
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Was ist aber neben der Erde zum Ausreifen der Traube noch besonders nötig?
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Es ist das Licht der Sonne; denn ohne den Wecker von oben entwickelt sich aus der Erde kein geistiges Produkt. Die Sonne muß mit ihren Lichtstrahlen erst die in der Erde schlafenden Elemente wecken, sie mit ihrer Wärme vergeistigen helfen und so durch den Kreislauf im Rebstock, durch Wurzeln, Äste, Blätter und Blüten, das Höchste absetzen, das endlich nach seinem Zersetzungsprozeß sichtbar zeigt, welche Fülle geistigen Stoffes in der Traube verborgen lag, welch geistiger Stoff sich jedoch erst dann zu zeigen beginnt, wenn die Traube aufgehört hat, Traube zu sein.
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Hier habt ihr also den Weinberg, bei dem drei Dinge - nämlich Erde, Wasser und Licht - zusammenwirken müssen, um auf höherer Stufe etwas Geistiges hervorzubringen.
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Nun wird euch der Vergleich Meines Reichs oder des Himmelreichs mit einem Weinberg schon leichter verständlich sein, wenn ihr die oben angeführte Erklärung auf Mein Reich anwendet.
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In Meinem Reich ist ebenfalls das Höchste nur Geist; aber dieser Geist, verkörpert in geistigen Wesen, kann erst aus den unter dem Geist stehenden, niederen Produkten der Schöpfung gewonnen werden. So wie der ganze Bildungsprozeß des Weins, vom eingesaugten Saft der Wurzel des Rebstocks bis zum im Fasse gärenden Mostwein, ein fortwährendes Verwandeln, Läutern und Verfeinern der Stoffe ist, so werden auch in Meiner ganzen Schöpfung alle geschaffenen Dinge - stets weiter vorrückend - geläutert und verfeinert, bis nach ihrem Ende als Materie, bei dem Zerfall des Bestandes, das Geistige mit leichter, ätherischer Umkleidung heraustreten kann. So wie die Wurzel des Rebstockes aus der Erde die ihr zusagenden Stoffe zieht, die zum weiteren Aufbau der ganzen Pflanze gehören, ebenso liegt die Wurzel des einst Geistigen im Materiellen vergraben. Dort sind ihre ersten Anfänge, von dort entbindet sich, was einer höheren Stufe fähig ist, und steigt aus der Finsternis der Erdrinde in die feinere Luft auf. Hier tun sodann Licht, Luft und Wasser das ihre, um den Vergeistigungsprozeß zu vollenden und feste Elemente der Bestandteile der Erde in wässerige umzuwandeln, die leichter Geistiges, Edleres enthalten können, weil sie, - den unteren Regionen entwachsen, von Licht und Wärme durchdrungen, sich den Einwirkungen der höheren Regionen leicht hingeben können.
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In entsprechender Weise geht auch der Erziehungsprozeß zum Einwohner Meiner geistigen Himmel vor sich.
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Durch den Licht- und Wahrheitsstrahl von oben muß das im Grabe Schlafende aus der groben Materie gezogen, dann geläutert und in ihm der Drang erweckt werden, stets höher und höher zu steigen. Ihr seht es auf eurer Erde, wie alles sich von der gröbsten Materie zur leichteren Existenz hindurchringt durch alle Klassen des Erdreichs zum Pflanzen- und Tierreich und von dort, sich stets weiter entwickelnd, aufwärtssteigt zum Menschen, der dann die erste geistige Stufe zu Meinem Reich bildet. Er ist schon der Traube gleich, in welcher alle Elemente zum köstlichen Weine vorbereitet liegen.
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Auch im Menschen ist alles so geformt und gebildet, daß der Einfluß von oben der mächtigere und der von unten der schwächere ist. Wenigstens war das so Meine Bestimmung. Die Entartung und das Abweichen des Menschen von diesem von Mir ihm gebahnten Weg wird später an der betreffenden Stelle dieses Gleichnisses zur Sprache kommen.
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Durch die Auflösung der menschlichen Hülle tritt der Mensch ins Geisterreich über, wo sich geistig der nämliche Prozeß wiederholt.
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Wie der unterste, in die feste Materie gebundene Geist vorher bis zur obersten Stufe, die auf Erden möglich ist, zum Menschen emporstieg, so muß er im Geisterreich wieder als einfache Menschenseele anfangen, um bis zum größten Engelsgeist, ja bis zu Mir selbst, fortzuschreiten.
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In dieser Hinsicht also gleicht das Himmelreich einem Weinberge, weil im einen wie im andern der Läuterungsprozeß vom Groben zum Feinsten, vom Festen zum Beweglichsten, von der Materie zum Geist vollzogen wird. In dieses Himmelreich als Weinberg - wie das Gleichnis sagt - sucht also ein Hausherr Arbeiter, die den Weinberg bearbeiten sollen.
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Was der Eigentümer eines Weinberges im weltlichen Sinn sucht, das suche Ich im geistigen. Ich suche ebenfalls Seelen, die sich selbst und Meine Schöpfung begreifen und sich dazu hergeben, Meine Liebesgebote zu erfüllen, und die durch ihre Lehren und ihr Beispiel dazu beitragen sollen, die in der Materie gebundenen Geister zu befreien, um so das einst von Mir Ausgegangene Mir wieder - und zwar geläutert, verfeinert, vergeistigt - zurückzuführen.
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Wie der Hausherr frühmorgens ausgeht, die ersten müßig Dastehenden findet und sie zur Arbeit dingt, so gehe auch Ich aus und suche auf Menschenseelen schon in den frühesten Jahren einzuwirken, um sie für Mein Reich tauglich zu machen. Wie dieser Herr des Weinberges zu verschiedenen Stunden ausgeht, um neue Arbeiter zu finden, suche auch Ich in den verschiedenen Altersstufen, im Jünglings-, Mannes- und selbst im Greisenalter, diejenigen wiederzugewinnen, welche - Mir bis dahin verloren - nicht wußten, was ihre Mission auf dieser Welt war, und was ihr Zweck in der andern sein wird.
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Wie Meine Kinder in den verschiedenen Altersstufen stehen, so stehen auch - im größeren Maßstabe - die Völker teils im Kindes-, teils im Jünglings-, Mannes- oder Greisenalter. Auch die Völker gehen den gleichen Gang der Entwicklung wie der einzelne Mensch in seinen Lebensphasen.
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Die ersten Anfänge einer Lehre für Mein Reich waren die Zeiten des Glaubens, die dem Kindesalter entsprechen. Dann kamen die Zeiten der Zweifel und des Fragens, - des Jünglingsalters. Später folgten die Zeiten des klaren Bewußtseins, die des Mannesalters, und endlich die Periode, die der nahe bevorstehenden Verwandlung vorausgeht, das Greisenalter.
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Mein erstes Kommen fiel in die Zeit des Jünglingsalters der Menschheit, als die erwachten Gemüter anfingen, das ihnen als Religion Gegebene zu kritisieren und zu erklären, woraus verschiedene Glaubensbekenntnisse entstanden. Damit nun diese große Fragezeit die Menschheit ihrer geistigen Existenz nicht ganz beraube, trat Ich gerade in jener Zeit auf und rettete so das in der Kindheit angenommene Gute, entfernte das durch spitzfindiges Grübeln Angeklebte und gab so dem Menschen seine Geisteswürde wieder, die sonst im weltlichen, egoistischen Treiben verlorengegangen wäre.
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In diesem Jünglingsalter, wo sich höchste Begeisterung und größte Erniedrigung die Hand gaben, suchte Ich Meine Arbeiter für Meinen himmlischen Weinberg. Als Märtyrer bestiegen viele den Scheiterhaufen - auf den wohl andere, aber nicht sie hingehörten -, um ihre Mission zu vollenden.
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Unter diesem Treiben und Hin- und Herwogen zwischen großen Ideen, zwischen Geistlehre und Materialismus, reifte das Mannesalter der Menschheit heran. Mein in der Jugendzeit gelegter Same trug seine Früchte, wenngleich an vielen Orten entartet. Und wieder ging Ich aus und sammelte Kämpfer für Mein Reich - und fand sie, wenn auch spärlich. Einige wagten es wieder, den Weizen von der Spreu zu reinigen, damit nicht im reifen Mannesalter, trotz klarer Einsicht, die ganze geistige Saat wegen weltlicher Interessen wieder unterdrückt werde. Es begannen die Religionskriege und die Verfolgungen, man wollte mit Feuer und Schwert, mit Haß und Rache bekämpfen, was nur allein durch Liebe und Duldung hätte besiegt werden können.
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Auch dieses Mannesalter mit seinem ernsteren Charakter ging vorüber. Diejenigen, die die Welt nach ihren Ideen verdummen und sie mit Blindheit schlagen wollten, fielen in die Grube, die sie anderen gegraben hatten. Sie gehen einer Reform entgegen, die ganz anders ausfallen wird, als sie es sich dachten.
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Und so hatten Meine Arbeiter, wenngleich noch nicht alles vollbracht, doch wenigstens bedeutend dazu beigetragen, die Pflanze des Geistes, die den reinsten Wein des Himmels enthält, vor der Zerstörung, vor der Verwesung zu bewahren.
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Nun komme Ich wieder im Greisenalter der Menschheit, in welchem sie reif ist, bald einer geistigen Verwandlung entgegenzugehen. Wiederum suche Ich Meine Arbeiter und finde deren schon mehrere. Obwohl im Greisenalter der Menschheit - wie in dem des einzelnen Menschen - viel Angewohntes ist, das nicht leicht auszurotten ist, so wird doch die Kraft der Umstände das meiste dazu beitragen, mit Gewalt zu entfernen, was nicht mit Sanftmut und Liebe einem Besseren weichen will.
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So dingte und sandte Ich Meine Arbeiter, und wenn diese einst in Meinem Reich angekommen sein werden, so mögen sie sich zu den anderen, schon früher Gegangenen scharen, um mit ihnen das Fest des Sieges zu feiern und die Krone der Verdienste zu teilen.
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Alle Menschen hatte Ich zu diesem Läuterungswege berufen; allein nur wenigen gelang es, die Auserkorenen genannt zu werden, die, über Elend, Gram, Sorge und Kampf triumphierend, stets Meine Fahne des Glaubens hochtrugen. Manche haben auch gelitten und erduldet in ihrem frommen, aber verkehrten, bis zum Fanatismus ausgearteten Sinn. Diese werden im Jenseits die Murrer sein, wenn sie diejenigen zuerst belohnt sehen, auf die sie bei Lebzeiten vielleicht mit Verachtung herabschauten. Sie waren zwar auch die Auserwählten, doch es fehlte ihnen an Kraft, die Auserkorenen zu werden; so werden sie sehen müssen, wie die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten werden.
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Doch die ewige Liebe, die alles ausgleicht, wird auch dort Mittel wissen, um die Wunden des Eigenstolzes zu heilen, denen falsche Ansichten zugrunde lagen.
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Ihr, Meine Kinder, und die ganze Menschheit seid jetzt in das Greisenalter eingetreten. Es naht die Zeit der Auflösung - im geistigen Sinne genommen -, es naht Mein letztes Kommen. Daher die Unruhe in den Gemütern, weil sie den baldigen Wechsel der weltlichen und geistigen Dinge dunkel ahnen! Daher diese Hast, noch vor der Zeit das Schlechte auszumerzen, um nicht von Ereignissen überrascht zu werden, in denen das bis jetzt Geglaubte nicht ausreicht! Daher der Eifer der Arbeiter am Abend, um in diesen wenigen Stunden des geistigen Lebens noch das zu ersetzen, was sie bis dorthin nicht verrichten konnten!
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So ist der Hausherr des Weinbergs bald mit der Lohnauszahlung beschäftigt. So werde auch Ich bald die Kronen und Siegespalmen denen verteilen, die - ob spät oder früh - die wahren Vertreter und Ausbreiter Meiner Lehre waren.
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Seht auch ihr, daß ihr nicht nur zu den Berufenen gehört, Mein Wort zu vernehmen, sondern daß ihr zu den Auserkorenen gezählt werdet, die, wie die fleißigen Arbeiter in einem Weinberg, am meisten dazu beigetragen haben, noch am Lebensabend einer greisenartigen Menschheit dem starren, lieblosen Treiben der Welt soviel Geistiges wie möglich abzugewinnen, welches dann im Himmelreich, nach dem Gärungsprozeß, geistige Früchte tragen soll! Amen.