Die Drei Tage im Tempel
Gespräche des zwölfjährigen Jesus
- Kapitel 31 -
Die abschließende Rede des römischen Richters. Des Römers Frage nach dem Verbleib der Eltern Jesu und des Jesusknaben Aufschluß
Es rieb sich aber nun der römische Richter die Stirn und sagte mit sehr lauter Stimme: ,,Höret nun auch noch einmal mich! - Nach all dem, was ich mit scharfem Blicke seit nun drei Tagen an diesem Knaben bemerkt, von Ihm vernommen und gesehen habe, so geht da auch mit den gröbsten Händen leicht zu greifen klarst hervor, daß Er durchaus ein anderes Wesen ist als wir armseligen, überaus schwachen und sterblichen Menschen dieser Erde!
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Er gehört zwar seiner irdischen Geburt nach dem Judenstamme an und steht so teilweise unter den Gesetzen des Tempels und teilweise gleich einem jeden Juden auch unter den unsrigen. Ich nahm aber sehr wahr, daß der Geist dieses Knaben eigentlich das Fundament aller Gesetze, sowohl der jedes Staates wie jeder gesellschaftlichen Volksordnung, und ferner aber auch aller uns nie offenbar werden könnenden Gesetze in der großen Natur aller Materie und aller Geister ist! Er ist zugleich ein tief weisester und gerechtester Richter, und nicht ein Atom groß auch nur scheinbar Arges ist in seinem Wesen! Was sollen da unsere Gesetze mehr noch mit Ihm zu tun haben, da Er doch augenscheinlichst ein Herr über alle Gesetze ist?!
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Ich stelle Ihn demnach frei und himmelhoch erhaben über alle unsere römischen und ebenso auch frei über alle eure eben nicht viel sagenden Tempelgesetze und erkläre auch hiermit feierlichst, daß dieser Tempel zur Aufnahme seiner heiligen Persönlichkeit viel zu unwürdig ist, und sooft es Ihm belieben sollte, das schlechte Jerusalem zu besuchen, so soll Er in den größten Ehren, die die Sterblichen einem Unsterblichen und allmächtigen Gotte erweisen können, in meinem offenbar reineren Palaste die freundlichste Aufnahme finden.
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Und wann Du zu mir wirst kommen wollen, so will ich laut ausrufen: ,Höret, Völker, meinem Hause und dem Herrscher Roms ist das größte und höchste Heil widerfahren!`
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Er wird das Heil euch Juden nehmen und es uns Heiden geben, und ihr werdet zu seiner Zeit noch von unseren schweren Fersen zertreten werden, und Staub und Asche werden wir über diese Stätte streuen, da ihr euch jetzt als Götter von dem betörten Volke preisen und förmlich anbeten lasset!
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Ich habe nun aus meiner innersten Überzeugung gesprochen und bin nun der sogar maßgeblichen Ansicht, daß wir nun, da ihr wahrlich finsteren Templer zu keiner besseren Anschauung zu bringen seid, diese Sitzung aufheben! Denn für was so heilige Worte an gänzlich taube Ohren und steinharte Herzen vergeuden?!"
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Sagte Ich: ,,Noch einige Augenblicke, bis die kommen, die Mich nun bei drei Tage lang suchen! Sie werden es in der Herberge ,Nazareth`, die ohnehin zum Tempel gehört, erfahren, wo Ich Mich aufhalte, und werden Mich hierher suchen kommen. Mit ihnen werde Ich wieder nach Nazareth ziehen! Denn dem Leibe nach muß Ich bei denen bleiben, die Ich Mir selbst dazu treu und wahr erwählt habe!"
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Sagte der Römer: ,,Aber wie ging denn das zu, daß Du Deinen Leibeseltern hast können verlorengehen? Denn meines Dafürhaltens haben sie Dich ja hierher begleiten müssen, und ich erinnere mich sogar jetzt, beim Eintritt in die große allgemeine Prüfungshalle des Tempels einen alten, würdigen Mann und ein ganz junges, aber sehr fromm aussehendes Weib an Deiner Seite bemerkt zu haben! Sie gingen nach ihrer entrichteten kleinen Taxe freilich wohl mit vielen anderen aus dem Tempel, worauf ich sie dann nicht mehr zu Gesicht bekam; aber sie müssen ja doch gewußt haben, daß Du nirgends anders als nur hier sein kannst?!"
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Sagte Ich: ,,Liebster Freund, sieh, das ist ganz einfach: Ich wollte es also, weil das in Meinem Willen und in Meiner ewigen Ordnung lag! Denn Ich sage es dir: Diese Szene war in Mir schon von Ewigkeit her vorgesehen. Dann konnte das auch ganz natürlich also geschehen!
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Meine Leibeseltern erwarteten Mich gleich den anderen in der bekannten Herberge, wohl wissend, daß Ich sie nicht verfehlen kann. Da aber der Nährvater Joseph bei einem Zeugschmied aus Damaskus sich einige Werkzeuge neu anfertigen ließ und schon vorauswußte, daß er nicht so bald fertig werde und wegen des Tragens ihn auch Meine recht leibeskräftige Mutter dahin begleitete, so gab er mehreren Verwandten und sonst wohlbekannten Nazaräern den Auftrag, falls er mit der Maria etwa zu spät wiederkehrete, daß sie Mich bis zur nächsten Station nur mitnehmen sollten, weil die beiden von dem bewußten Schmiede bei längerem Verweilen nicht wieder nach Jerusalem, was ihnen stark aus dem Wege läge, zurückzukehren für nötig hätten.
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Also ward es abgemacht, und also auch getan. Die beiden verweilten lange, und als sie dann in die bewußte Station kamen, trafen sie daselbst wohl eine Menge bekannter und auch verwandter Nazaräer, aber Ich war nicht bei ihnen. Und diese meinten, daß Ich vielleicht mit einer früher abgegangenen Gesellschaft bis zur weitgelegenen Nachtherberge mitgezogen sei - was zu glauben Meine Eltern auch keinen Anstand nahmen und mit diesen gemächlich dahin zogen, wo sie aber erst nach Mitternacht ankamen. Nun, da war Ich auch nicht dabei!
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Am frühen Morgen machten sie sich auf zu einer noch um ein bedeutendes weiter liegenden Herberge, aber auch da vernahmen sie nichts von Mir. Von da kehrten sie wieder hierher zurück, sind bereits in unserer Herberge angelangt und haben Mich auch zu ihrer großen Beruhigung erfragt und werden nun alsbald Mich mit einem kleinen Verweise hier auffinden!"
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Sagte der Römer: ,,Oh, einen Verweis dürfen sie Dir nicht geben, dagegen werde schon ich einen Protest einlegen!"
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Sagte Ich: ,,Ach laß nur alles geschehen, was von den Propheten geweissagt ist, Ich werde ihnen dann schon auch Meine Meinung sagen, die ihnen als Menschen sehr heilsam sein wird!"
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Hier wollte der Oberpriester noch etwas sagen, aber der Römer und unser Simon ließen es nicht mehr zu und erklärten die Sitzung nochmals für aufgehoben.