Das Grosse Evangelium Johannes: Band 2
Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre.
(Im Sommer des Jahres 30)
Dritte Reise des Herrn:
Genezareth - Zu Schiff über die Bucht und dann zu Fuß nordwärts in Richtung Tyrus - Rückkehr zum Galiläischen Meer - Berg am Ufer (Zweite Volksspeisung) - Zu Schiff nach der Herberge bei Magdala - Zurück zum Berg am Ufer - Zu Fuß nach der Hütte des Markus bei Cäsarea Philippi
- Kapitel 236 -
Kritik der Pharisäer über Julius
Als die ganze Gesellschaft bei uns anlangt, wird ihr alsbald Platz gemacht, so daß sie an einem an den unsrigen anstoßenden Tische recht wohl Platz hat.
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Markus kommt darauf zu Mir und fragt Mich, ob er den Geretteten Salz, Brot und Wein vorsetzen solle.
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Sage Ich: ,,Frage sie und dein Herz, ob sie etwas verlangen, und ob dein Herz völlig zu geben bereit ist! Verlangen sie, und dein Herz will geben, so gib! Denn siehe, auch das ist eine Hauptregel der wahren Nächstenliebe! Der Nächste muß verlangen, entweder durchs vernehmbare Wort, durch Hilferuf, oder im schlimmsten Falle durch leicht ersichtliche stumme Not, und dein Herz muß alsogleich aus Liebe fest wollen, danach tätig zu sein; dann ist die Nächstenliebe wahrhaft in der göttlichen Ordnung ausgeübt worden, und die Wirkung davon für die Seele und für den Geist des Gebers wird da nicht unterm Wege verbleiben. - Verstehst du solches?"
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Sagt Markus: ,,Ja, Herr, ich verstehe es nun vollkommen und werde nun alsogleich solcher Deiner Belehrung nachkommen."
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Sage Ich: ,,Gehe, aber mache Mich nicht ruchbar bei ihnen! Man darf ihnen noch nicht zuviel trauen; denn in ihrem Herzen wohnt noch tiefe Nacht, und ihre Seele fasset noch lange keine Wahrheitstiefe."
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Darauf begibt sich Markus schnell zu den Geretteten hin und fragt sie, ob und was sie nun zur Stärkung ihres Leibes benötigen werden.
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Sagt einer: ,,Freund, wir sind zwar hungrig und durstig; aber unser ganzes Vermögen besteht nunmehr nur in neun roten Groschen. Dafür wird sich wahrlich hier in dieser bekannt brotarmen Gegend sicher nicht viel herrichten lassen. Kannst du uns aber dafür doch etwas Erkleckliches geben, so gib es uns, und wir wollen dir die neun Groschen darreichen!"
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Sagt Markus: ,,Wenn es um euch also steht, so bedarf es auch der neun Groschen nicht, und ihr werdet dennoch zur Genüge zu essen und zu trinken bekommen."
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Hierauf ruft Markus sogleich sein Weib und seine Kinder und schafft ihnen, diese neuangekommene Gesellschaft mit Brot und Salz und Wein bestens zu versorgen; denn sonst wäre nun in der Mitternachtszeit wohl nicht leichtlich etwas zu haben. Am Morgen werden sie dann schon besser versorgt werden. Sogleich wird das Geschaffene herbeigebracht, und die Geretteten greifen wacker zu und loben das Brot und den Wein über die Maßen.
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Einige sagen: ,,Das ist ein ägyptischer Königswein." Andere halten ihn persischer Abkunft. Einer aber meint, daß dies ein echter Römerwein sei.
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Markus aber sagt: ,,Keines von allem, sondern der Wein ist hier gewachsen." - Darüber verwundern sich alle sehr; denn es war bekannt im ganzen Judenlande, daß in Galiläa der schlechteste Wein zu Hause war.
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Nach ziemlichem Genusse des Weines aber ward die neu angekommene Gesellschaft so ziemlich lebendig und fing an - wie man zu sagen pflegt -, mit der Wahrheit auszupacken, ohne sich zu genieren vor uns, die wir in ihrer nächsten Nachbarschaft uns befanden.
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Julius, der nun ganz knapp an ihrem Tische saß, fragt einen jungen Pharisäer, so mehr scherzweise als irgend ernstlich, ob er - der Pharisäer nämlich - nicht auch in Genezareth etwas zu tun habe.
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Sagt der Befragte: ,,Herr, wer du auch sein magst, ob ein Cäsaräer oder ein Genezarether, das ist mir nun gleich; aber dieses Loch von einer Stadt ist sogar für den Teufel zu schlecht, geschweige für einen ehrlichen Menschen von meiner Art! Mich sieht dies Nest in meinem ganzen Leben sicher zum zweiten Male nimmer. Dort haust ein gewisser römischer Hauptmann Julius. Das ist genug; denn mit diesem Namen ist schon alles, was nur immer des Satans sein kann, gesagt. Wer aus der Zahl der Sterblichen sich je dem genaht hat, der hat auch den Satan persönlich kennengelernt. Seine Person habe ich zwar noch nie irgendwo zu Gesichte bekommen; aber seine Befehle habe ich verkostet und schließe daraus, daß seine Persönlichkeit auch seinen unmenschlichsten Befehlen auf ein Haar ähnlich sein wird.
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Jener Julius scheint ein abgesagter Feind der Bewohner von Jerusalem zu sein, ansonst es denn doch nicht möglich sein sollte, gar so barbarisch und echt satanisch unbarmherzig mit Menschen unserer Art zu verfahren!
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Es ist wohl wahr, daß man besonders den Templern eben nicht sehr gewogen sein kann, so man hinter ihre Tücken, Schliche und allerlei Betrügereien gekommen ist; aber man muß doch auch überall eine Ausnahme machen und erst dann irgendein Urteil richten, so man zuvor alle Verhältnisse genau abgewogen hat, unter denen irgendein Mensch einem Kollegium angehört. Hat der Mensch dasselbe frei gewählt, nun da kann man dann wohl mit Recht sagen: . Aber wie viele gibt es oft als Mitglieder eines wenn an und für sich auch noch so lumpig schlechten Kollegiums, die dazu wider ihren Willen gezwungen worden sind.
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Ist man ein ehrlicher Richter, der Herz und Kopf am rechten Flecke hat, so untersuche man zuvor, ob unsereins freiwillig oder gezwungen zum traurigen Mitgliede eines solchen Kollegiums ward! Ist man ein Freiwilliger, dann kann man für jede ausgeübte schlechte Vorschrift von seiten eines solchen ärgerlichen Kollegiums sicher mit allem Rechte gezüchtigt werden. Ist man aber, wie es bei unsereinem der Fall ist, ein sozusagen mit glühendem Eisen dazu Gezwungener und muß durch den gleichen Zwang die argen Vornahmen des Kollegiums in Vollzug bringen, so sollte man denn doch anders behandelt werden als ein freiwilliger schlechter Lump.
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Es wird zum Beispiel ein überaus ehrlicher, junger und kräftiger Mensch von Räubern und Mördern überfallen und in die Höhle der Räuber gebracht. Dort werden ihm die martervollsten Todesarten vorgehalten, so er als ein kräftiger Mensch nicht ein Miträuber und Mörder werden wolle. Jeder noch so leise anscheinende Versuch zum Entfliehen wird schon mit einem martervollsten Tode bestraft.
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Es geschieht aber, daß solch eine Räuber- und Mördergesellschaft vom strafenden Arme der Gerechtigkeit erreicht und zur Strafe gezogen wird. Ist es da recht, wenn der junge Mensch nun das Los derer teilen muß, die ihn mit glühenden Eisen zu einem Miträuber gemacht haben? Solch einen Unglücklichen sollte man nur nach aller Möglichkeit und nach allen Seiten hin zu retten suchen, nicht aber am Ende ohne alles Erbarmen ihn, gleich den wirklichen Missetätern, ans Kreuz hängen und ihm die Beine zerschlagen. Gerichtet und verdammt ist bald und leicht, besonders für den, der das Schwert und die Macht in seinen Händen hat; aber wie, - das ist eine ganz andere Frage!
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Nach meinem Gefühle wäre es noch immer besser, so man zehn wirkliche Lumpen, deren Schuld man aber nicht völlig hat erweisen können, laufen ließe, als daß man einen solchen verurteilt, wie ich ihn in meinem Beispiele angeführt habe; denn solch ein Urteil scheint die allerhimmelschreiendste Versündigung an den heiligsten Rechten der Menschheit zu sein! Wenn es schon strafbar ist, so man einen glücklichen Menschen so ein wenig nur unglücklich macht, wie ungeheuer strafbar muß es dann erst dort sein, wo man einen ohnehin schon ohne sein Verschulden allerunglücklichsten Menschen noch unglücklicher macht, anstatt daß man als Mensch doch alles aufbieten sollte, ihn aus seinem ersten, höchst unverschuldeten Unglücke nach Möglichkeit zu erretten!
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Und siehe, Freund, beinahe um kein Haar besser geht es mit uns jungen Templern. Auch wir sind als Söhne wohlhabender Eltern mit Gewalt dem Tempeldienste geweiht worden, ohne eigentlich dem Stamme Levi der Geburt nach anzugehören; denn solch eine Geburt kann man jetzt ums Geld haben, wie oft man sie will.
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Wir sind nun einmal Leviten und können uns von diesem lieben Stande beim allerbesten Willen von der Welt nimmer losmachen. Ja, wir könnten zwar für uns wohl entfliehen und könnten als kräftige junge Männer dem Soldatenstande Roms uns anschließen; aber dann hätten wir damit auch den Stab alles Verderbens über unsere Eltern und Geschwister gebrochen, und sie rettet kein Gott vor dem herrlichen Genusse des verfluchten Wassers. Wer aber dieses scheußliche Giftwasser hat zu trinken bekommen, ist noch allzeit gestorben, und das auf die schmählichste und schmerzlichste Art von der Welt.
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Man erzählt uns wohl, daß vor ungefähr dreißig Jahren ein Menschenpaar aus Galiläa nach dem Genusse des Satanswassers nicht gestorben sei. Möglich, - aber wir waren nicht zugegen!
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Wer nun unsere Lage von solch einem Standpunkte aus betrachtet und uns dann gleich andern gemeinsten Menschenbestien behandeln kann, der hat ganz verdammt wenig Anspruch auf die Ehre, ein Mensch zu sein, zu machen! Da scheint das hochtrabende römische ,` eben nicht gar weit her zu sein.
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Ich und noch einige von unserer diesmaligen armseligen Gesellschaft aber sind eben in Genezareth ohne all unser Verschulden von dem gewissen Hauptmann Julius auf eine Weise behandelt worden, wie man kein reißend Vieh ärger behandeln kann, und es wird daher begreiflich sein, warum wir für alle Zukunft diesen Ort, den der Julius beherrscht, wie die ärgste Pest meiden werden!"