Gottes Neue Offenbarungen

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 2

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre.
(Im Sommer des Jahres 30)
Zweite Reise des Herrn:
Nazareth - Höhle bei Bethabara (Erste Volksspeisung) - Berg des Gebets - Wandel auf dem Galiläischen Meer (des Petrus Glaubensprobe) - Zu Schiff nach Genezareth an der gleichnamigen Meeresbucht

- Kapitel 99 -

Die Philosophie der Essäer

1
(Bartholomäus): ,,Das Schönste aber ist noch das, daß dann und wann auch wirklich verstorbene Kinder reicher Eltern zur Wiedererweckung angenommen werden, wo aber der wiedererweckte Sohn oder die wiedererweckte Tochter den Eltern nicht vor einem, manchmal auch zwei Jahren wiedergegeben werden. Wenn durch vieles Bitten und um vieles Gold und Silber eine verstorbene Tochter oder ein verstorbener Sohn in der Erweckungsanstalt der Essäer angenommen wird, so geht so eine Art Heiland von einem Essäer zu den traurigen Eltern und erkundigt sich haarklein um alles, was das verstorbene Kind nur immer betreffen mag. Es muß da genau das Alter angeführt werden, so auch alles, was das verstorbene Kind je gehört, gesehen und gelernt hatte, ob und was es gerne gegessen und getrunken, wie sein Bett und Wohnzimmer aussah, wer und wie beschaffen des Kindes Gespielen und Freunde waren, was sich alles unter ihnen zugetragen, und bei welchen Gelegenheiten und an welchen Orten; kurz, da darf nicht die geringste Kleinigkeit verschwiegen werden, - denn sonst, sagt der Essäer, kann die Wiedererweckung nicht bewerkstelligt werden!
2
Die guten Eltern erzählen das auch gerne haarklein und meinen ungezweifelt, daß der forschende Essäerheiland solches vollwahr zur Erweckung ihres verstorbenen und vielgeliebten Kindes benötige. - Allein der Essäer braucht solches zu etwas ganz anderem!
3
An der Grenze von Ägypten haben die Essäer eine große Menschenzuchtanstalt von allen möglichen Arten und Gestalten, nehmen ganz geschickt ein Abbild von dem Verstorbenen, den sie darauf bald und recht tief in die Erde begraben. Mit dem Abbilde gehen sie dann in ihre große Zuchtanstalt und suchen sich unter den mehreren Tausenden von Kindern jeden Alters das dem Abbilde des Verstorbenen ähnlichste heraus, nehmen es mit und erziehen es dann auf das sorgfältigste in allem dem, was sie vom Verstorbenen wissen, und führen es oftmals ganz geheim an die Orte hin, an denen der Verstorbene oft war, laden nach und nach auch dessen Freunde ins Kloster und machen den Neuerweckten mit ihnen vorteilhaft bekannt. Sie machen ihn mit der Einrichtung des zukünftigen Elternhauses auf das möglichst genaueste bekannt, beschreiben alle Zimmer, damit der seine Eltern dann um alles fragen kann und die Eltern dadurch eine wahrhaftige Freude haben an ihrem Sohne oder an ihrer Tochter. Kurz, es wird die Sache so klug bestellt, daß die Eltern darüber auch nicht den allergeringsten Zweifel haben, daß der von der Erweckungsanstalt ihnen als wieder lebendig zurückgegebene Sohn oder die Tochter echt sei. Natürlich wird dann bei der Rückgabe ungeheuer gezahlt, und das mit vielen Freuden.
4
Den armen Eltern kommt so ein Wunder freilich fast nie zugute; aber sie werden dafür recht herzlich getröstet und durch allerlei kleine, wenig kostende Wunder im Glauben bestärkt, daß ihr verstorbenes Kind in geradester Linie ins Elysium aufgefahren sei, und das macht die armen Eltern dann auch wieder frohgestimmt.
5
Im Grunde aber haben diese Essäer gar keine schlechten Lebensgrundsätze; denn sie sagen: ,Es muß eine Gesellschaft von tiefgebildeten Menschen unter den Menschen sein, die dann für die Beglückung ihrer Nebenmenschen alles aufzubieten hat, was auch immer für Mittel sie zum Zwecke für vollends tauglich findet. Solch eine gebildete Gesellschaft hat durch ihr jahrelanges Lernen, Denken und Forschen gefunden, daß der Tod die letzte Linie aller Dinge ist, und daß es nach dem Tode kein Bewußtsein und kein Leben unter irgendeiner Form mehr gibt. Die Glieder der Gesellschaft aber haben Philosophie genug, um das Leben zu verachten und lange nicht als der Güter Höchstes zu betrachten; aber um die Außenmenschen glücklich zu machen, muß ihnen noch ein vollkommeneres Leben der Seele nach dem Tode gepredigt werden. Um den Außenmenschen aber solches fest begreiflich zu machen, muß man Scheinwunder zu Hilfe nehmen. Je außerordentlicher dieselben zustande gebracht werden können, desto wirksamer sind sie!
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Dazu aber gehört von seiten der eingeweihten Mitglieder stets die tiefste Verschwiegenheit, und ein jeder hat die strengste Pflicht, vor den Außenmenschen die Wahrheit zu fliehen, mehr denn die Pest; denn jede Wahrheit macht den Menschen zum Sklaven des Todes. Darum auch schon Moses in seiner Genesis auf diesen Umstand in einem einzigen, kurzen Verse mit der reinen Wahrheit zum Vorscheine kam, da er sagte: ,Wenn du vom Baume der Erkenntnis - was soviel heiße als vom Baume der Wahrheit - essen wirst, da auch wirst du sterben!` Und so geht es mit jedem Menschen, der allenthalben nach der Wahrheit trachtet und sich ihr, und somit dem Tode, in die Arme wirft. Darum hat auch Moses, als ein in alle Weisheit und Wahrheit der ägyptischen Priesterkaste Eingeweihter, für die Juden sogleich einen Priesterstand gebildet, der sich - freilich schon ganz entartet - bis auf diese Zeit erhalten hat.
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Der Hauptgrundsatz muß aber Liebe sein, mit der im unwandelbaren Verbande zu leben die Außenmenschen wie von Gott aus verpflichtet sein sollen, und es müssen darum die Menschen sogar durch Gesetze, die Gott geoffenbart habe, streng zur Ausübung dieser Tugend angehalten werden. Damit sie sich solcher Tugend stets mehr und mehr befleißen und sich die gepredigte Gottheit als daseiend mehr versinnlichen, so muß ihnen die Liebe zu Gott vor allem so stark als möglich ans Herz gelegt und Gott Selbst ihnen einerseits als ein guter Vater voll der höchsten Liebe, anderseits den Widerspenstigen gegenüber auch als allergerechtester Richter dargestellt werden, der alles Gute der gepredigten Liebe gemäß ewig belohnt, alles Böse aber auch als der gepredigten Liebe zuwider zeitlich und ewig bestraft; dadurch wird die Menschheit am leichtesten im Zaume gehalten und zu allerlei guten und nützlichen Dingen zu verwenden sein.
8
Sollte sich jedoch ein Mensch vorfinden, der anfinge, seinen Nebenmenschen die Wahrheit zu predigen und dergleichen Anstalten wie die ihrige zu verdächtigen, so solle von der Anstalt aus alles aufgeboten werden, solch ein Ungeheuer, das den Millionen durch seine Wahrheitslehren den Tod bringt, so schnell wie möglich aus dem Wege zu räumen, oder noch besser, womöglich für die Anstalt zu gewinnen! Denn nichts sei den Außenmenschen gefährlicher als was immer für eine Aufklärung im Bereiche des Glaubens an einen Gott und an ein ewiges Leben.` -
9
Siehe, das sind die Lebensgrundsätze der von dir, Bruder Judas, so berühmt uns vorgeführten Essäer! Weltlich genommen kann man sie nicht zu sehr tadeln, aber geistig, wie wir nun ein ganz anderes Licht haben, sind sie über alle Maßen verwerflich! Denn aus ihrem Munde hört nie ein Uneingeweihter auch nur eine wahre Silbe; und will er vor ihnen die Wahrheit reden, so schreibt er sich dadurch sein sicheres Todesurteil!"
10
Sagt Judas, ganz zornig aussehend: ,,Oh, sind das doch Bestien! Nein, daß diese Kerle mit solchen Salben gesalbt sind, davon hätte ich ohne dich auch nie eine Silbe geglaubt; aber da du, als selbst ein einstmaliger Essäer, uns nun solches kundgibst, glaube ich es! - Aber wie kamst du denn mit heiler Haut aus dem Kloster?"
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Sagt Bartholomäus: ,,Ich ließ mich vollends einweihen, legte meine Proben ab und kam dann zur Besorgung des Außendienstes hierher. Und weil ich das Vertrauen genoß im Vollmaße, so ward ich auch draußen belassen; denn diesen Vorteil gewährt das Kloster recht gerne, weil es davon nur Vorteile ziehen kann und nie irgendeinen Schaden.
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Nun aber, da ich statt der Lüge die vollste Wahrheit habe kennengelernt, bleibe ich schon desto sicherer für immer draußen! Von mir aus sollen die im Kloster nie erfahren, was ich weiß; aber mit der Zeit sollen es die, die draußen sind, erfahren, was die Essäer im Kloster tun!"

Fußnoten