Die Haushaltung Gottes
Band 1
Die Urgeschichte der Menschheit
- Kapitel 149 -
Die Frage des fremden Abedam
11. November 1841
Und der Abedam, der bekannte, erwiderte dem Henoch: ,,Geliebtester Bruder im Abba Emanuel! Daß ich noch keineswegs zu den Geweckten zu zählen bin, solches verspüre ich nur zu deutlich in mir, - und, so ganz offen gesprochen, diese Deutlichkeit scheint und ist vielmehr das Deutlichste an meinem ganzen Leben.
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Wie es mit den übrigen steht, Bruder Henoch, das wird einer mit meiner selbstverschuldeten Lebensdeutlichkeit eben nicht gar zu geschwind merken!
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Aber, wie es vorkommt der großen Dummheit meines Lebens - unter uns stille gesagt -, so hat er auch unsern geliebten Vater Adam schon!"
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Und der Henoch erwiderte ihm: ,,Höre, deine Rede klingt zwar etwas albern, - aber sei versichert, so du die Nacht in dir merkst, da bist du schon wach! Denn schliefest du, so würdest du wenig merken von der Nacht in dir, sondern würdest dir vielmehr einen blindesten Tag träumen; der Träumer aber weiß nicht, daß er schläft und träumt.
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Siehe, dieser Meinung aber bin ich: Vor der Erscheinung des heiligen, allerliebevollsten Vaters im Emanuel Abba schliefen und träumten wir alle; als Er aber kam, hat Er uns alle geweckt. Und siehe, wir wurden wach, - aber nicht am Tage, sondern in der Nacht unserer Herzen; und hätte der Emanuel solches nicht getan an uns, wir schliefen noch in des Traumes totem Tage!
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Es ist aber ja bei uns schon eine alte Regel, zu wecken die Kinder wenigstens eine gute Stunde vor dem Aufgange, damit ihre schwachen Augen sich an den nach und nach werdenden Tag gewöhnen und leicht und ohne Nachteil dann ertragen des Tages starkes Licht. Meinst du denn, daß wir darum etwa weiser handeln denn Emanuel?!
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O siehe, solches auch lehrte Er uns der Natur des Fleisches wegen! Ist das Auge des Geistes nicht mehr wert denn das des Fleisches?!
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So aber wir solches tun für die Wohlfahrt der Augen des Fleisches, meinst du, der Herr wird weniger barmherzig mit des Geistes Augen umgehen?!
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O mein geliebter Bruder Abedam, siehe, was der Herr tut, ist allzeit weise und wohlgetan!
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Wir sind geweckt, und es wäre ein großer Undank gegen den so überaus heilig-guten Vater, solches nicht zu erkennen, was Er an uns getan hat! Aber wir alle sind erweckt in der Mitternacht, und das aus der allerhöchsten Liebe Abbas; aber einschlafen dürfen wir nimmer! Des Geistes Tag ist heller denn der des Fleisches. Darum auch ist zur Wohlfahrt des geistigen Auges nötig, um die Mitternacht geweckt zu werden; denn die da bis in den Tag schlafen werden, diese wird das starke Licht des Tages dann sicher töten! - Verstehst du mich, lieber Bruder?"
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Nach dieser Rede Henochs an den Abedam kehrte Sich der fremde Abedam zu den zweien zurück und richtete folgende Worte an sie, welche sehr zu beachten sind und also lauteten:
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,,Meine geliebtesten Freunde! Wahrlich, nicht ein Wort eurer Unterredung ist Meinem Ohre entgangen! Und du, Abedam, bist wach, dieweil du die Nacht in dir merktest und noch merkst; und du, Henoch, bist lebendig wach darum, weil du gewahrst die Zeit, in der euch der Vater geweckt hat und warum, - und ahnst mit großer Gewißheit den großen werdenden Tag!
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Wohl hast du geredet zu deinem Bruder, und jegliches deiner Worte ist schon mit der Sterne flammender Schrift eingetragen in das Buch des ewigen Lebens. Aber nun gebe Ich euch eine Frage, die ihr Mir gefälligst beantworten möget; denn ohne die Lösung dieser Frage bleibt jeder Mensch, wenn auch in der Nacht noch so stark aufgerüttelt, mehr oder weniger schlaftrunken, und dieser Zustand des Geweckten ist ärgerlicher denn der Schlaf selbst!
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Diese wichtige Frage selbst aber lautet also: Was für ein sichtbarer Unterschied ist wohl zwischen der Vornacht, Mitternacht und Frühnacht?
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Sehet, solches ist in der ewigen Ordnung Gottes begründet! Der Schlafende aber erkennt keinen Unterschied der Nacht, dieweil er schläft; und wenn der große Wecker kommt, ein brausender Wind der Mitternacht, da tut er zwar die Augen auf, kehrt sich aber um und schläft wieder ein, um zu träumen bis zur aufgehenden Sonne. Steht er dann auf, so ist er lichtscheu und sucht sich bald unter einem dichten Schatten zu verbergen.
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Ein anderer aber steht zwar auf, reibt sich die Augen und streckt alle seine Glieder; aber er bleibt schlaftrunken bis zum Aufgange und wankt darum beständig hin und her und ist voll Ärger und weiß nicht, um welche Zeit es ist, und denkt nur stets an den süßen Schlaf, - aber an den kommenden Tag denkt er nicht. Und wenn er schon gemahnt wird, sich anzukleiden, so bleibt er aber doch träge und ohne Kleid bis zum Aufgange, und es wäre ihm die zurückkehrende Vornacht um vieles lieber denn der kommende Lebensmorgen.
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Wahrlich, für ihn wird der Tag nichts Erfreuliches bieten!
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Der völlig Wachgewordene aber freut sich schon beim ersten Wachwerden des wachen Lebens und preist in der Mitternacht seinen großen, heiligen Wecker; der ist es, der da alsbald erkennt, um welche Zeit es ist, und der erkennt den Unterschied der Vornacht, Mitternacht und Frühnacht!
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Mit jedem Atemzuge erwartet er den kommenden Tag, und des Tages erstes Grauen schon erfüllt seinen Geist mit einer Freude, die größer ist denn alle sichtbaren Himmel!
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Sehet also, Meine geliebten Freunde, wie wichtig die Beantwortung der gegebenen Frage ist! Darum auch gab Ich euch diese Erklärung hinzu, auf daß ihr desto leichter eine passende Antwort auf diese so überaus wichtige Frage finden sollet; und so antwortet Mir, einer nach dem andern, - doch, so ihr wollet! Amen."
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Und der bekannte Abedam sagte sogleich zum Henoch: ,,Bruder, deine früher an meine Dummheit gerichteten Worte haben mir die Augen geläutert, so daß ich jetzt zwar recht gut sehe, um welche Zeit in der Nacht ich vom Schlafe - ewig Dank dem heiligen, großen Wecker! - geweckt worden bin, und ich weiß nun, daß ich wahrhaft wach bin, und warum ich es bin; aber, Bruder, diese Frage! - O mein allergeliebtester Namensgefährte, deine Frage ist nicht auf unserer mageren Erde gewachsen! Ich für mich empfinde nun schon wieder sehr deutlich, daß nicht ich ihr Löser werde!
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Wach bin ich wohl - dem Herrn alles Lob, allen Dank, alle Ehre und alle Liebe dafür! -, doch inwieweit sich bei meinem nachtwachen Zustande auch eine lästige Schlaftrunkenheit befindet, siehe, solches vermag ich kaum zu erschauen! Darum wirst schon du, lieber Bruder Henoch, dich an die Beantwortung dieser Hauptfrage machen müssen, so du willst! Amen."
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Und der Henoch sagte zum Abedam, dem bekannten: ,,Höre, lieber Bruder, mir kommt es aber vor, unser allergeliebtester Freund hat die Frage schon als beantwortet gegeben, und es liegt also nur an uns, nicht so sehr die Frage zu beantworten, sondern vielmehr die in der Frage gelegene Antwort zu erkennen und sie dann in unser Leben aufzunehmen!
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Denn siehe, also meine ich: Aus wessen Munde solche Frage, aus dessen Herzen auch strömt mit der Frage ein unaussprechliches Wohlwollen! Und sei versichert, der Fragesteller hat nicht not, uns entweder zu prüfen oder der eigenen unergründlichen Weisheit zu Gefallen unser glimmendes Sonnenstäubchen zu erforschen, sondern seine Freude ist nur, im Verborgenen verhüllte, unerhört große Gaben zu spenden! - Verstehst du mich, Abedam?"
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Und Abedam, der fremde, griff beiden unter die Arme und hob sie ein wenig von der Erde und stellte sie dann wieder sanft nieder und begann folgendes ihnen zu erläutern:
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,,Meine vollst Geliebten, in euren Herzen herrscht eine große Treue; in dir, Henoch, Licht aus Liebe - und in dir, Abedam, Liebe aus Licht! Beides ist gut und erfaßt der göttlichen Ordnung Sinn, und des Lebens Born strömt unaufhaltsam freudig zum großen, ewigen Tage hinan.
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Aber die Vornacht, die Mitternacht und die Frühnacht fließen nicht mit in den Tag hinüber, sondern bleiben zurück und vergehen eine nach der andern.
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Aber doch sind sie nötig aus derselben Ordnung heraus, wie das Erdreich dem Samenkorne, also auch sie dem Leben! Und so ist die Vornacht die Zeit des Säens und des Erdliegens, die Mitternacht die Zeit des Keimauf- und - durchbruchs und die Frühnacht aber die Zeit des Abfalls der Materie und des Emporwachsens durch das Einsaugen des Morgentaues.
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Es fällt aber der Tau schon oft sehr früh vor dem Aufgange; und solches ist auch eben der Fall jetzt bei uns.
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Sehet, der Tag des Herrn ist nicht ein Tag gleich einem Tage der Erde, sondern wenn er kommt, dann kommt er allein und ihm folgt ewig keine Nacht mehr; darum ist ja die vorhergehende Nachtzeit gerecht in der göttlichen Ordnung, da sie eine notwendige Vorläuferin des großen Tages ist!
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Aber welcher Lebendige wird in der Nacht verbleiben wollen?! So er sich nicht wird wecken lassen, wird er nicht vergehen mit ihr, wenn der Tag kommen wird?!
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Sehet, das sind die großen Unterschiede; darum aber hob Ich euch beide empor, auf daß ihr solches fassen möget ins Leben! Verstehet es wohl, und bleibet bei Mir wie Ich bei euch; aber schweiget bis morgen! Amen."