Gottes Neue Offenbarungen

Das Grosse Evangelium Johannes: Band 11

Lehren und Taten Jesu während Seiner drei Lehramts-Jahre

- Kapitel 67 -

Jesus im Tempel

Die Pharisäer, Priester und Bediensteten des Tempels waren inzwischen in größte Aufregung geraten, was bei dieser großen Kundgebung zu tun sei. Daß es unmöglich sei, sie mit Waffengewalt zu unterdrücken, sahen sie sehr bald ein, da sicherlich sofort ein Aufruhr gegen die ohnehin mißliebige Tempelwirtschaft entstanden wäre. Das Volk war in einem Begeisterungstaumel, der durch Gewalt nicht hätte beseitigt werden können. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als vorläufig die Dinge gehen zu lassen, um daraus bei einem unvorhergesehenen Umschwung nach Möglichkeit Vorteil für das Ansehen des Tempels zu ziehen.
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Vor allen Dingen riet der Hohepriester Kaiphas in einem schnell zusammengerufenen Rat, es abzuwarten, was Ich denn eigentlich beginnen wolle und wohin Ich die ganze Bewegung zu lenken dächte. Wolle Ich Mich zum König ausrufen lassen, so stände ihnen die Macht der Römer schnellstens zur Seite, gälte es aber dem Tempel und dessen Dienern, so würde Ich, ohne das Volk zu erbittern, auch nur wenig tun können, da dieses sich den Glauben an Jehova nicht nehmen lassen würde. Es käme also zunächst darauf an, abzuwarten und alle etwaigen Fehler Meinerseits klug auszunutzen.
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Sie selbst, die Priester, jedoch beschlossen, sich nicht sehen zu lassen, sondern den Tempel gerade weit zu öffnen, so daß dessen Heiligkeit selbst zum Volke spräche. Es wurden daher schnellstens alle Tore geöffnet, auch das Heilige nicht verschlossen, jener Raum, den ohne Vorbereitung kein Israelit betreten durfte und auch kein Priester ohne besondere Zeremonien, Gebet und vorherige Waschung betrat.
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Die Tempeldiener jedoch wurden schnellstens angewiesen, den Verkäufern in den Vorhallen des Tempels, die sich wieder recht zahlreich eingefunden hatten, Mitteilung von Meinem Kommen zu machen, damit eine ärgerliche Szene, wie Ich sie schon einmal bereitet hatte, vermieden würde. Diese Vorsorge kam jedoch zu spät; denn kaum hatten die Geldwechsler und Verkäufer aller Art, durch das Geschrei außerhalb der Mauern aufmerksam gemacht, vernommen, um was es sich handle, als sie auch schon, in guter Erinnerung Meiner früheren Tat, schnellstens ihre Sachen zusammenpackten und fluchtartig mit ihren feilgehaltenen Waren das Gebäude verließen.
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Diese zweite Reinigung des Tempels, welche nicht direkt durch Mein Auftreten geschah, hat zu Mißverständnissen Anlaß gegeben, als sei die früher geschilderte Szene jetzt bei Meinem Einzug geschehen, während sie doch viel früher, zu Anfang Meines Lehramtes geschah. (Matth.21,12.13)
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Als nun das Volk mit vielem Geschrei in den Tempel eindrang, suchte es vor allen Dingen nach den Priestern; vornehmlich wollte es von dem Hohenpriester Kaiphas verlangen, daß er Mich mit heiligem Salböl zum Könige salbe, worauf sie Mich in die Zionsburg zu führen gedachten, um Mir zu huldigen. - Die Priester jedoch waren nicht zu finden. Ungehindert drang das Volk durch die Vorhöfe in das Heiligtum ein.
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Die Meinigen umdrängten Mich besorgt, da sie sahen und hörten, welche Absichten das Volk mit Mir hatte, und Petrus fragte Mich besorgt: ,,Herr, was soll das werden, willst Du Dich hier zum Könige Israels ausrufen lassen?"
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Ich hieß ihn schweigen und gebot den Umstehenden, Mir Platz zu lassen, um in den Tempel ungehindert eintreten zu können, nachdem Ich das Lasttier bereits früher verlassen hatte.
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Das Volk gehorchte, und Ich betrat, gefolgt von viel Volkes, durch die Hallen das innere Heiligtum, betrat das Heilige selbst und schritt auf den großen Opferaltar zu, dessen Stufen Ich bestieg.
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Hierhin durfte das gewöhnliche Volk nach den Tempelsatzungen nicht folgen, sondern mußte außen in den Gängen stehenbleiben, von wo aus es den priesterlichen Handlungen in dem Heiligen zuschauen konnte.
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Die Pharisäer und Tempelobersten hatten ganz richtig die leicht erregbare Stimmung des Volkes beurteilt; denn während dieses vordem sich nicht besonnen hätte, die Priester nach seinem Willen zu zwingen, falls diese sich nicht willfährig zeigten, so war jetzt durch den Eindruck, den der Ort selbst machte, und an dem durch die Abwesenheit aller Priester keine persönliche Anfeindung möglich war, der allgemeinen Erregung ein feierliches Verstummen und die Erwartung dessen, was Ich beginnen würde, gefolgt. Ich hatte auch den Meinen geboten, zurückzubleiben, und so stand Ich denn nun allein, von allem Volke gesehen.
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Mit lauter Stimme sprach Ich nun zum Volke: ,,Es ist die Stunde gekommen, da nun alle Welt an sich erfahren soll, wohin die Wege führen, welche sie bisher betreten hat, und jeder sich entscheiden soll, ob er zum Vater will oder nicht. Ihr habt Mich hierhergeführt in dieses Haus, wo der Geist Gottes früher sichtbarlich wohnte; doch jetzt ist er aus diesen Mauern gewichen, und leer ist die Stätte geworden. Nun aber hat er sich eine andere Stätte gewählt, und jeder Mensch kann sich einen Tempel erbauen, so er nach Meinen Worten handelt und nach Meinen Lehren, die Ich euch gegeben habe.
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Ein jeder lasse sich tragen von der Demut und gehe sodann geraden Weges ein in das erbaute Gotteshaus, das da leer geworden ist, doch von neuem angefüllt werden soll von den Taten der Liebe. Jede Liebestat ist ein Baustein zum Tempel, und es wird dieser Tempel gekrönt werden mit dem Zeichen der Weisheit und der Kraft, so nur allein die Liebe den Grundstein bildet. Darum aber bin Ich zu euch gekommen, daß ihr die Liebe von Mir lernet, die ihr mißachtetet, - nicht die Eigenliebe, die ihr wohl habt, sondern die Liebe zum Nächsten, welche ihr nicht habt, die euch aber vergöttlicht und allein zu Gott führen kann.
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So ihr aber glaubt, Ich sei und wolle sein euer König, so wisset denn, daß Mein Reich nicht von dieser Welt ist, sondern daß dieses in aller Herrlichkeit in dem Menschen wohnt und das Erbteil bildet, welches der Vater dem Sohne und durch Diesen allen Menschen auf Erden und allen Himmeln gegeben hat. Denket also nicht, Ich würde einziehen in die Burg Davids, um ein irdisches Reich zu gründen! Wer Mir folgen will, der folge Mir nach in Meinen Taten, so wird er selig werden. Der Sohn ist vom Vater, und weil Er vom Vater ist, ist Er in Ihm und der Vater in dem Sohne, und wer dem Sohne folgt, folgt dadurch auch dem Vater.
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Bringet her zu Mir alle, die da gebrochenen Leibes und Herzens sind, so werde Ich sie heilen, damit sie gesunden! Die da aber gebrochenen Verstandes sind, werden sich an Mir stoßen, und Ich werde sie nicht heilen können; denn wer sich an Mir stößt, der ist voll Ärgers und Hochmutes und entbehrt der Liebe, weil sie ihm unklug und hart erscheint. Ich aber will eure Herzen heilen und durch diese eure Seelen und Leiber; denn nur im Herzen wohnt der Glaube, und wo dieser nicht wohnt, da herrscht Finsternis. Denn der Glaube, der da gewachsen ist aus der Erkenntnis, ist ein Licht, welches jede Finsternis verjagt. Also glaubet an Mich und an den Vater, damit ihr sehet und die Finsternis von euch weiche!
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Wahrlich, Ich sage euch: Ohne den wahren Glauben wird niemand selig werden können! Ich aber habe euch gesagt, was und woran ihr glauben sollet. Also handelt auch nach Meinen Worten, so wie Ich nach diesen Meinen Worten gehandelt habe! Alle werden dann tun können, was Ich getan habe, und es wird niemand mehr auf Erden sein, der da sagen kann, es seien ihm die Wege zur Seligkeit verschlossen.
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Damit ihr aber sehet, was des Vaters Kraft im Menschen bewirkt, so bringe man Mir die Kranken, welche an ihren Leibern leiden, damit Ich sie heile!"
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Nach diesen Worten trat Ich von dem Altar herab und begab Mich in die Vorhallen, wo viele Kranke lagen, welche opfern wollten und hofften, durch der Priester Gebete gesund zu werden, wie das hauptsächlich zu Ostern eine allgemeine Sitte war, doch meistens nur für solche, welche eine Opferspende in Goldmünzen geben konnten, da ohne solche die Priester des Tempels einen solchen Kranken nicht bevorzugten. Gar mancher raffte nun seine letzten Habseligkeiten zusammen, um diesen letzten Versuch, seine Gesundheit zu erlangen, zu machen, und er verließ sodann den Tempel, ohne seine Gesundheit wiedererlangt zu haben.
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Diesen Kranken also näherte Ich Mich und fragte sie voll Ernstes: ,,Glaubet ihr, daß euch der Gott eurer Väter heilen kann, so ihr Ihn darum bittet? Oder vermeinet ihr, daß ihr durch der Menschen Hilfe gesunden könnet?"
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Riefen da viele hoffnungslose Kranke: ,,Meister, uns kann nur Gott allein helfen, dem wir hier in diesem Tempel gewißlich am nächsten sind!"
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Andere aber schwiegen, und so fragte Ich denn diese, was ihre Meinung wäre.
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Darauf antwortete Mir einer aus ihrer Mitte (ein Kranker): ,,Meister, uns ist gesagt worden: So der Hohepriester nicht bei Gott im Allerheiligsten für uns bitte, so würde uns nicht geholfen werden können; denn er allein ist der Fürsprecher vor Gott! Wir müssen daher warten, bis solches geschieht!"
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Darauf sagte Ich: ,,Glaubet ihr denn, daß Gott nicht zu jedem Menschen kommen kann, so er Ihn nur darum bittet? Was bedarf es denn da erst eines Mittlers? - Glaubet, so wird auch euch geholfen werden können!"
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Sagte da wieder der erste Sprecher: ,,Meister, wir glauben ja, was uns gesagt worden ist, und dennoch ist uns noch nicht geholfen worden! Was sollen wir denn da noch glauben?"
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Antwortete Ich: ,,Ihr sollt glauben, daß Gott, der Vater von Ewigkeit, von unendlicher Güte ist und zu jedem kommt, der Ihn allen Ernstes anruft! Ihr sollt glauben, daß Gott nicht erst der Menschen bedarf, um Seine Kraft zu ihnen zu senden, sondern daß diese Kraft von jedem Menschen durch die Liebe zu Gott angezogen werden kann, sodann in dem Menschen sich entfaltet und zur Wirkung gebracht werden kann! - Kannst du das glauben?"
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Sagte der Kranke, indem er Mich fest ansah: ,,Meister, ich glaube es, weil Du es mir sagst; denn so wie Du hat noch niemand zu uns gesprochen!"
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Sagte Ich: ,,Meine Worte sind die Wahrheit, und weil sie die Wahrheit sind, sind sie auch das Leben und die Kraft des Lebens. Ich habe als Mensch stets danach gehandelt, und so bin Ich ein Meister des Lebens geworden. Darum sage Ich euch allen: Gehet hin, tuet desgleichen, doch sündiget nicht mehr, weder in Worten noch in Werken! Sündiget nicht mehr, indem ihr nichts tut, was gegen die Liebe zu Gott und dem Nächsten verstößt, so werdet ihr gesund bleiben und wahre Lebensmeister werden! - Stehet auf und wandelt!"
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Nach diesen Worten schwanden alle Gebrechen von den Leibern der Kranken, und sie erhoben sich, gesund und kräftig an ihren Leibern. Das Volk aber, das umherstand, brach wieder in laute Rufe aus und jubelte und lobte Mich über alle Maßen. Viele fielen vor Mir nieder und suchten Meine Hände und Kleider zu erfassen, um diese zu küssen. Ich wehrte ihnen nicht, sondern ließ alle an Mich herankommen.
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Viele wollten nun abermals den Versuch machen, zu den Hohenpriestern einzudringen, um die Absicht auszuführen, Mich zu salben; diese hatten sich aber so gut verborgen, daß keine Spur von ihnen zu entdecken war, weswegen die Abgesandten bald unverrichtetersache zurückkehrten.
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Als diese nun zu Mir hindrängten, um Mich stürmisch zu umgeben, gebot Ich ihnen Ruhe und sagte zu den Königslüsternen: ,,Saget, kann der, der da vor Gott steht als ein Träger von dessen Kraft, auf Erden noch höher gestellt werden, als er schon steht vor Gott?!"
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Sagte etwas betroffen der Anführer dieser Schar: ,,Meister, er selbst wohl nicht; aber die da ihm anhangen, wollen doch ein sichtliches Zeichen seiner Macht - auch nach außen hin, so daß unter seiner machtvollen Hand das Volk glücklich - und nicht gepreßt - werde!"
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Sagte Ich: ,,Als Samuel auf Verlangen des Volkes den Saul zum König salbte, - was hatte denn das Volk dadurch gewonnen? Gewißlich nicht Frieden und Ruhe, sondern Kampf und Unruhe. Und warum das? Weil es des sanften Joches, welches der Herr ihm nach seinem Tun auferlegte, müde geworden war und der kraftvollen Hand eines sichtbaren Herrschers zustrebte. Es hat denn auch weiterhin nicht an Königen gefehlt, und auch jetzt ist euch in Herodes ein König geworden. Glaubt ihr nun, daß ein neuer König, den ihr in Mir suchet, euch Frieden brächte, so er auch ein äußerer, machtvoller König würde sein wollen? Herodes und die Römer würden alle seine Anhänger und ihn selbst zu vernichten suchen. Es würde Elend, Krieg und Not heraufbeschworen werden, so Ich euer irdischer König würde. Wie aber vertrüge sich das mit Meiner Lehre: ,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!`, wenn Ich euch den Krieg und den Mord bringen wollte?! Darum lasset das Äußere von Mir ab - Mein Reich ist nicht von dieser Welt - und errichtet in euch das rechte Friedensreich, dort will Ich stets gern euer König sein und bleiben!"
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Nach diesen Worten wandten sich die Königslustigen unmutig von Mir ab und meinten, Ich sei kein Held, von dem das Volk Israel ein Heil auch nach außen hin erwarten könne.
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Die Königsschreier begaben sich nun unter das Volk und verhehlten ihren Unmut über Meine ablehnenden Worte nicht. Doch war das übrige Volk deswegen noch keineswegs Mir abwendig zu machen, da Meine Taten zu gewaltig zu ihm sprachen, um Mich alsogleich wegen der Abweisung, ein König der Juden zu sein, fallen zu lassen.
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Es trat aber nach der allgewaltigen Erregung nunmehr eine ruhigere Stimmung in dem anwesenden Volk auf, und Ich sowie Meine Jünger benutzten diese, um nochmals Meine Lehren vielen auseinanderzusetzen. So entstanden nun einzelne große Gruppen, die in den Tempelvorhöfen zerstreut standen.
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Da war es nun, daß zwei Griechen, welche ebenfalls zum Fest gekommen waren, und die zu Anfang der ganzen Szene nicht zugegen waren, hinzukamen. Es war jedoch den Nichtjuden verboten, das innere Heiligtum zu betreten, weswegen an der Grenze, bis zu der solche Nichtjuden gehen durften, Warnungstafeln angebracht waren. (Joh.12,20)
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Die Griechen sahen Philippus an dieser Grenze stehen und baten ihn, sie möchten Jesus gerne sehen und wo möglich sprechen. Philippus wagte es jedoch nicht, diese beiden aufzufordern, zu Mir zu gehen, da das Verbot ihm zu beachtenswert erschien. Daher sagte er es Andreas, und beide gingen nun zu Mir, der Ich in einem Kreise vieler Zuhörer stand, die Meinen Worten lauschten, und trugen Mir die Bitte der beiden Griechen vor, und daß diese des Volkes wegen nicht wagten, zu Mir zu kommen. Da sagte Ich ihnen, sie sollten die Griechen auffordern, zu Mir zu kommen. Beide gingen nun hin und taten also. Doch fürchteten sich die Griechen zu sehr, das Verbot zu überschreiten, und blieben daher an der Grenze stehen. (Joh.12,21.22)
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Es hatten jedoch die Tempeljuden, Priester und Pharisäer jetzt gemerkt, daß eine weit ruhigere Stimmung Platz gegriffen hatte, und einige von ihnen hatten sich verkleidet unter das Volk begeben, um zu spionieren, wie es denn nun stände. Schnell hatten sie mit den Königslustigen, die nun sehr verstimmt auf Mich waren, gemeinsame Sache gemacht, um Mich beim Volke zu verhetzen und eine Gegenstimmung hervorzubringen. Einer dieser verkleideten Hetzer stand nun auch nahe bei Mir und redete sogleich den Umstehenden unwillig zu, wie Ich den Heiden gebieten könne, das jüdische Heiligtum zu betreten und so dasselbe unrein machen zu wollen. Ob es denn des Messias, der Ich doch sein wollte, würdig sei, heilige Gebräuche zu mißachten?! Mehrere, denen Meine Aufforderung ebenfalls mißfällig war, stimmten diesem Sprecher bei, so daß sich ein Gemurmel erhob.
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Ich bemerkte das sehr wohl und sagte zu Johannes und Lazarus, die stets in Meiner Nähe geblieben waren, sowie zu den anderen Jüngern: ,,Jetzt ist die Zeit gekommen, daß des Menschen Sohn verklärt werde; denn nun hat Er Sich gänzlich Selbst überwunden. Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es wohl allein; wenn es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. (Joh.12,24) So wird auch Mein Tun, das ihr jetzt sehet, viele Früchte bringen."
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Mit dem Hinweis auf jene Griechen, die furchtsam ferne standen, sprach Ich nun laut: ,,Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt haßt, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Wer Mir dienen will, der folge Mir nach; und wo Ich bin, da soll Mein Diener auch sein. Und wer Mir dienen wird, den wird Mein Vater ehren." (Joh.12,25.26)
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Jener Sprecher nun, der bereits vordem leise gegen Mich sprach, hetzte nun wieder weiter, indem er sagte: ,,Ein schöner Messias das, der Heiden und jedermann einlädt, ihm zu dienen, damit der Vater ihn ehre! Wer ist überhaupt dessen Vater? Ich bedanke mich dafür, mein Leben zu hassen, um ein unbekanntes, ewiges Leben zu erhalten; da ist doch das gewisse mir lieber!"
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In ähnlicher Weise nahmen auch die anderen verkleideten Tempeljuden gegen Mich Partei und suchten das Volk vorsichtig gegen Mich zu stimmen. -
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Meine Seele jedoch empfand nun, daß Meine Stunde geschlagen hatte, und sie wurde traurig wegen der nahe bevorstehenden Leiden, und daß das Volk so wankelmütig sei; daher sagte Ich zu Meiner nächsten Umgebung: ,,Jetzt ist Meine Seele betrübt. Und was soll Ich sagen? Vater, hilf Mir aus dieser Stunde? Doch darum bin Ich in diese Stunde gekommen. O Vater, verkläre Deinen Namen!" (Joh.12,27.28a)
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Da tönte eine Stimme wie vom Himmel, die aber in Wahrheit in den Herzen aller erschallte, die nur irgendwie zu einem Geistesleben noch zu erwecken waren: ,,Ich habe Ihn verklärt und will Ihn abermals verklären!" (Joh.12,28b u. c)
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Diejenigen, die diese innere Erregung vernahmen, sprachen nun, je nach dem Wachsein ihres Geistes: ,,Es donnerte", andere sagten: ,,Es sprach ein Engel mit ihm." (Joh.12,29)
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Keiner von denen aber empfand in sich die Stimme, sondern versetzte sie nach außen, je nach seinem Erwecktsein.
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Ich sagte ihnen daher: ,,Diese Stimme ist nicht um Meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen; denn jetzt ergeht das Gericht über diese Welt. Nun wird der Fürst der Finsternis, welcher ein Fürst dieser Welt war, ausgestoßen. Niemand steht mehr zwischen dem Vater und dem Kinde als des Menschen Sohn. Und Ich, wenn Ich erhöht werde von der Erde, so will Ich sie alle zu Mir ziehen, damit sie zum Vater gelangen." (Joh.12,30-33)
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Antwortete Mir wieder jener Sprecher und einige, die diesem wohlwollten: ,,Wir haben gehört im Gesetz, daß Christus ewiglich bleibe. Wie sagst du denn, des Menschen Sohn muß erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn, von dem du redest? Kann jemand noch höher steigen, als daß er ewig ist und uns sein Reich bringt?" (Joh.12,34)
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Antwortete Ich ihnen nun, da Ich wohl einsah, wie Meine Worte stets verdreht würden von diesen Verstockten: ,,Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, dieweil ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle! Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. Glaubet an das Licht, dieweil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid und nicht Kinder der Finsternis werdet!" (Joh.12,35.36)
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Nachdem Ich diese Worte gesprochen hatte, wandte Ich Mich von diesem Kreise ab, und wir gingen nach den Vorhöfen der Heiden zu, jene äußerste Grenze, die die Nichtisraeliten betreten durften. (Joh.12,37a)
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Es hatten aber die Priester und Tempelobersten inzwischen genauest erfahren, daß das Volk ruhig geworden sei, und daß Ich Mich geweigert habe, einen offenen Staatsstreich auszuführen, um Mich zum Herrn und König ausrufen zu lassen. Weiterhin wußten sie, daß ein augenblicklicher Unmut deswegen sich geltend machte, und schnell suchten sie diese Stimmung auszunutzen. Es wurden alle Priester und Leviten schnell beordert, um einen glänzenden Zug zu bilden. Posaunenbläser schritten voran, und Herolde verkündeten dem Volke, der Hohepriester habe vom Herrn den Befehl erhalten, ein großes, außerordentliches Versöhnungsopfer für die Sünden des Volkes zu leisten, da der Herr diesem gnädig gesinnt sei und Er alle Sünden vergebe, welche das Volk innerhalb eines halben Jahres begangen habe. Mit allem Glanz und größter Feierlichkeit zogen die Scharen auf, und Kaiphas selbst vollzog das Opfer auf dem großen Brandaltar des Tempels.
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Durch diese Handlung erreichte der Tempel seine Absicht; denn das Volk hing noch sehr an alten Zeremonien und an allem, was vom Tempel ausging. Es wurde so ein Gegenzug von starkem Eindruck, der durch die Außergewöhnlichkeit wirkte, auf die Gemüter ausgeübt, und noch im Laufe des halben Tages war von der außergewöhnlichen Erregung des Volkes, die durch Meinen Einzug entstanden war, nichts mehr zu verspüren. Der Tempel erwies sich sehr gnädig an diesem und den nächsten Tagen; es wurden in den Vorhöfen viele Arme gespeist und beschenkt, Gebete gesprochen und alles mögliche getan, um für ihn und seine Vertreter recht gute Stimmung zu erzeugen und so die ihn schreckende Gefahr, die durch Meinen Einfluß drohte, abzuwenden.
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Der glänzende Zug trat in dem Augenblick auf, als wir die Vorhöfe erreicht hatten. Voller Neugierde wandte sich alles dem ungewöhnlichen Schauspiel zu, und wir benutzten diesen Augenblick, ohne Aufsehen das mächtige Gebäude zu verlassen, um uns der Behausung des Lazarus wieder zuzuwenden.

Fußnoten