Gottes Neue Offenbarungen

Die Haushaltung Gottes
Band 1

Die Urgeschichte der Menschheit

- Kapitel 71 -

Sethlahems Verlangen nach wahrer Weisheit

Und höre, es hatte aber diese Rede beinahe alle stumm gemacht; denn sie verstanden nun gar wohl die Rede Henochs und dachten nur bei sich über all die Irrtümer nach, von denen sie bis jetzt sämtlich so hart befangen waren. Und auch ihren Kindern gingen die Augen weit auf; sie erkannten sich wieder und Mich mehr und mehr durch ihre aufwachende Liebe in sich. Und es begriffen nun erst auch vollends von Adam bis Jared die Hauptstammkinder die Grottenrede Henochs und verstanden vollends den Sinn der Grotte. Und Adam dachte viel über den Aufgang der Sonne nach und verstand selben. Seth aber richtete sich auf, blickte gen Himmel und dankte Mir für dieses große Geschenk; und seinem Beispiele folgten alle, die zugegen waren, und lobten und priesen Mich über die Maßen in ihren Herzen.
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Es trat aber eines der Mittagskinder, die da waren aus der Linie Seths und Enos', hin zum Henoch, verneigte sich tief vor ihm und sagte: ,,Henoch, sieh, hier vor dir stehe ich im Namen aller; mein Name ist Sethlahem (das heißt: ,Ein mit Weisheit hochbegabter Sohn Seths`).
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Mein erstes ist, durch dich abzustatten den allergebührendsten Dank an den heiligen Geber solcher hohen Gnade. Denn da du dem Herrn am nächsten bist und hast Sein lebendiges Wort, so ist es auch wohl am füglichsten, daß du das Mangelhafte unseres schwachen Dankes gegen den Herrn für eine so große Wohltat ergänzest. Denn da ich die Weisheit erhielt vom Herrn, so tat ich, was mich diese lehrte, und konnte auch nicht mehr tun, da meine Weisheit hinreichend fand, was ich tat. Allein was du hier lehrtest in deiner Lebenssprache, ist mehr denn alle Weisheit aller Menschen; es ist die Wurzel alles Lebens und der ewige Grund aller Weisheit, - ja, es ist Gott, den du hier verkündest! Und siehe, da reicht meine Weisheit nicht aus, um Diesem den gerechten Dank abzustatten; daher tue du an meiner Stelle, was Rechtens ist! Das andere aber, deswegen mich nach dir verlangte, ist, daß du mir gestatten möchtest, zu dir in die Schule zu kommen, damit du mich lehren möchtest den Weg, den du gegangen bist, daß dir geworden ist in einer solchen Tiefe das Leben aus Gott.
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O Henoch, verarge mir nicht diese Doppelbitte; denn meine Weisheit sagt es mir, daß du ein rechter Seher Gottes bist. Denn des Allerhöchsten Liebe hat voll gemacht dein Herz, und angerührt ward deine Zunge durch das Feuer, das da übermächtig dem Finger Gottes entströmt. Oh, so zeige dem Sethlahem, wie und wann dir solches geworden! Amen."
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Henoch aber erhob sich alsobald und sagte: ,,Höre, Sethlahem, wozu des Rühmens?! Hast du denn die Weisheit darum erhalten, daß du mit ihr ausgingest zu rühmen, was des Rühmens nicht wert ist, und weißt nicht zu rühmen Den, dem doch nur allein aller Ruhm gebührt?! Oder meinst du, das Leben lasse sich auch erlernen wie solche Weisheit, die du erlernt hast mit kaltem Herzen, auf daß du ein Meister in der Weisheit würdest?!
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O Sethlahem, Sethlahem, siehe zu, daß du nicht erstickst in deiner eitlen Wißbegierde!
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Siehe hier einen Feigenbaum und da einen Baum voll schon halbreifer Pflaumen! Was meinst du, so der Pflaumenbaum in die Schule ginge zum Feigenbaume, um von ihm die Kunst zu erlernen, statt der Pflaumen auch Feigen zu tragen auf seinen Ästen gleich dem Feigenbaume, - wird solches wohl füglich je geschehen?
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Gewiß, so deine Weisheit zu irgend etwas nütze ist, muß sie dich augenblicklich überzeugend gemahnen, daß solches in alle Ewigkeit nicht angehen wird!
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Aber so jemand nimmt Reiser mit Samen vom Feigenbaume, beschneidet dann allseits den Pflaumenbaum, spaltet die Zweigrümpflein und steckt dann die Samenreiser hinein und verbindet sie sorgfältig mit Erde und Harz, so wird alsobald der Saft des Pflaumenbaumes in den Feigenreisern umgestaltet werden zum Leben des Feigenbaumes; und so werden dann nach nicht gar langer Zeit auf dem so umgewandelten Pflaumenbaume edle Feigen zum Vorscheine kommen.
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Solches zu tun lehrte dich schon lange deine Weisheit; wie ist's denn aber, daß sie dich nicht auch gelehrt hat, den Herrn aus allen Kräften zu lieben, auf daß du statt Pflaumen auch Feigen des Lebens zur Frucht gebracht hättest?!
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Ich sage dir aber, Sethlahem, siehe, Adam hat dich beschnitten wie alle deine Kinder und Brüder, Seth hat euch gespalten, und der Herr hat durch mich nun die Reiser des ewigen Lebens in euch gesteckt; nun suchet durch eure gegenseitige Liebtätigkeit frische Erde und Harz, und verbindet das Leben wohl in euch durch den Glauben, so werdet ihr auch alsobald finden, was du nun fruchtlos bei mir zu erlernen suchtest!
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Und nun gehe und handle, so wirst du leben! Amen."
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Als aber der Sethlahem solche Rede vernommen hatte, da schlug er sich auf die Brust und sagte: ,,O Henoch, ich erkenne die hohe Wahrheit deiner Rede, allein es ist dir leicht, solche zu reden, da du sie schon hast; denn der Herr hat sie dir gegeben frei aus Sich heraus, ohne daß du darob desgleichen tun mochtest, was zu tun du mich angewiesen hast! O siehe, im Trockenen läßt sich gut ruhen und ohne Pfand leicht nehmen; allein also ist es nicht bei mir! Gar lange schon arbeite ich und ringe unaufhörlich nach dem, was dir ohne Mühe geworden ist; allein es ist umsonst! Für mich ist der Himmel mit Steinen verlegt, und es wäre leichter, in die Erde ein Loch zu graben, das da reichen möchte bis dahin, wo sie nicht mehr ist, als zu erlangen einfließend nur einen einzigen Tautropfen des Lebens der Liebe von oben.
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Daß es aber also ist, - so sieh nur hin auf die hohen Väter, auf daß sie dir zeugen für mich! Sind sie vermöge ihres Standes nicht alle höher denn du und somit dem Herrn auch natürlich näher denn du? Warum aber bleibt ihnen der Herr ferne und wandelt mit dir, Hand in Hand verschlungen?
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O Henoch, wäre all dieses in dir nicht als eine freie, keineswegs verdiente Sache von oben, vom heiligen Vater gegeben, wahrlich, du würdest bis auf diesen Augenblick reden gleich mir, klagend über den gewaltigen Seelendurst und -hunger!
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Oder meinst du, daß ich nicht wüßte, es vermöchte kein Baum von dem andern etwas zu erlernen? Siehe, dafür könnte ich deiner Rede Rat halten; so wir aber Kinder lehren müssen, was ihnen not tut - als: Gehen, Sprechen, Arbeiten -, um ihnen dadurch die Spur des allerhöchsten Gottes begreiflich zeigen zu können, - sage mir, sind wir denn mehr gegen Gott, als da sind unsere Kinder gegen uns?! Ich glaube, wir sind unendlichmal weniger gegen Ihn! Wie sollte und könnte uns denn der Weg anders als auf dem Wege des Unterrichts, wie es bei allen Kindern der Fall ist, gezeigt werden?!
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O Henoch, du glaubtest, mit mir leicht fertig zu werden, indem du mich zur Bruder- und Gottesliebe verwiesen hast; allein, es soll dir nicht so leicht werden, wie du meintest, meiner los zu werden! Zuvor will ich alles dieses erst an dir wohl gewahren, bis ich es annehme!
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Aber in deiner kurzen Abspeisung scheint eben nicht der höchste Grad der Nächstenliebe vergraben zu sein; wenn aber die Nächstenliebe ein Seitenstrahl der Liebe zu Gott ist, wahrlich, da weiß ich nicht, was ich von deiner Gottesliebe halten soll!
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Siehe zu, daß du dir nicht etwa bald selbst allein der Allernächste wirst!
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Ist es recht, daß durch jemands Rede ein anderer geärgert werde?! Siehe, wie sehr mich auch deine erste Rede erbaute, so sehr aber hat mich auch dein jetziges Wort geärgert! Denn ich weiß wohl, daß du ein Seher Gottes bist und das lebendige Wort hast - wüßte ich es nicht, nie käme ich zu dir und möchte lobpreisen ein solches Heiligtum in dir! -; daß du mich aber darob tadeltest, da frage ich: Wer hieß dich denn, solches auf deinen Kopf zu nehmen und mich darob zu tadeln?
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O siehe, es ist nicht fein, den hungrigen, durstigen und weinenden Bruder in Gott so kurz von sich zu weisen!
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Geduld ist das erste, und die Demut ist die Seele der Liebe! Henoch, ich weiß, daß du beider Meister bist; warum aber zeigst du mir die Stirne und scheinst das Herz vor mir verschlossen zu haben? Habe ich dir doch nie etwas zuleide getan! Kehre dich daher um, und sei mir ein Bruder in Gott statt ein kalter, trockener Wegweiser! Amen."
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Nachdem aber der Henoch solches von Sethlahem mit der größten, lächelnden Gelassenheit vernommen hatte, richtete er sich wieder auf und begegnete ihm mit folgenden Worten, sagend:
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,,Sethlahem, siehe, wenn es also wäre, wie du laut deiner Rede des Dafürhaltens bist, wahrlich, du hättest mich lange schon zu deinen Füßen weinend erblickt; allein, dem ist es nicht also!
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Damit du aber meiner nicht verstandenen Rede wegen nicht ungerecht dich ärgernd deine Hütte betreten möchtest, so besänftige dein Herz, und höre, was ich dir sagen werde: Sethlahem, sieh hin in die blaue Ferne, und sage mir an das Gras, die Pflanzen, Bäume und Gesträuche, welcher Art und Gattung sie sind, ob also wie hier, oder ob anders, -
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was für Gestein, was für Erde, und was für Quellen, ob also wie hier, oder ob anders! Von welchen lebenden Wesen ist es bewohnt? Gibt es vielleicht auch Menschen dort? Und was ist es, das sie jetzt verrichten?
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Höre, Sethlahem, dein Schweigen sagt es dir, daß du solches nicht weißt! Nun frage ich dich aber: Auf welchem Wege könntest du dir solche Kenntnis wohl am füglichsten verschaffen?
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Ich setze den Fall, ich selbst wäre schon dort gewesen und hätte daselbst alles beobachtet. Es möchte sich aber fügen, daß mich die Väter in deiner Gegenwart darüber fragten und ich ihnen enthüllte die blaue Ferne. So du aber solches vernähmst und nicht wüßtest, wie, woher und wodurch, sprächst du dann zu mir: ,Höre, was du nun geredet hast, gefällt mir ganz besonders! Auch ich möchte also sprechen über die Ferne wie du; siehe, ich will darob zu dir in die Lehre gehen, auf daß ich es von dir erlerne, solches zu reden!` So ich dir dann erwidern würde: ,Höre, solches läßt sich mit innerer Überzeugung nicht erlernen für den, der nach innerer Überzeugung trachtet, - und welch ein mühsamer Weg zur reinsten Erkenntnis wäre dieses und wie unfruchtbar!
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Aber siehe, da über diese Berge geht der nächste Weg dahin! Bemühe dich dahin, und sei versichert, in drei Tagen bist du wieder hier und wirst gleich mir darüber Reden voll Wahrheit führen können, wie solche zu führen mit innerer Lebenskraft du sonst in Jahren nicht erlernen möchtest!`
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Nun kämest du aber wieder zu mir und möchtest mich ob solches kurzen, aber wahrheitsvollen Rates des Mangels der Liebe beschuldigen! Sage dir selbst, wie verhält sich eine solche Beschuldigung als lieblos zu einem Rate, nach welchem du sicher in drei Tagen das erreichen kannst, was dir sonst wohl kaum Tausende von Jahren geben möchten?!
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Siehe, da hast du mit deiner Weisheit einen scharfen Hieb in den Wind gemacht!
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Der Weg ist dir gezeigt. Hast du den Mut nicht, ihn allein zu wandeln, so komme und prüfe mich, ob als Bruder ich dich mit aller Liebe geleiten werde oder nicht; ich glaube aber, darin möchtest du schwerlich je einen Klagegrund finden!
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Aber so ich dir tun möchte nach deinem törichten Verlangen, siehe, da müßte ich dir wohl eher Feind werden, auf daß ich vermöchte, in meiner Verworfenheit dich, meinen lieben, armen Bruder in Gott und Adam, zu betrügen!
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Siehe, das Wissen wird dir ewig nichts nützen zum Leben; aber so du handeln wirst nach der Wahrheit, so wirst du das Zeugnis der Wahrheit finden, und es wird sein das Zeugnis der Liebe - und die Liebe das ewige Leben in Gott! Amen, amen, amen."

Fußnoten